Bericht von der Parteivorstandssitzung vom 01. März 2025 von den Mitgliedern der Antikapitalistischen Linken in der LINKEN im PV
Am 01. März 2025 kam der Parteivorstand der LINKEN zu einer auf einen Tag verkürzten Konferenz in Berlin zusammen. Anwesend waren 21 von 26 Vorstandsmitgliedern.
Alle Beschlüsse und Vorlagen sind in Kürze auf der Homepage der LINKEN nachzulesen
- Aktuelle politische Lage
Die Sitzung des Parteivorstandes wurde vom für die LINKE großartigen Ausgang der Bundestagswahlen geprägt. Die 8,8 Prozent Stimmenanteil für die LINKE hat alle Erwartungen übertroffen. Die neue Fraktion im Bundestag besteht aus 64 Abgeordneten, von denen 53 neu in das Bundesparlament einziehen. 56 Prozent der Fraktionsmitglieder sind Frauen. In sechs Wahlkreisen erreichte die LINKE die Erststimmenmehrheit, darunter mit Berlin-Neukölln erstmals einen „Westwahlkreis“. Gleichzeitig hält der Zustrom neuer Mitglieder in die Partei an. Die LINKE hatte zum Zeitpunkt der PV-Sitzung 105.000 Mitglieder. Der Altersdurchschnitt der Mitgliedschaft beträgt dank der vielen sehr jungen Neumitglieder jetzt 42,5 Jahre, womit die LINKE die beim Alter der Mitglieder jüngste der Parlamentsparteien ist. Mehr als die Hälfte der Neumitglieder sind weiblich. Der Mitgliederzuwachs hat seinen Schwerpunkt in den westdeutschen Großstädten, aber auch in allen ländlichen Kreisen und in den ostdeutschen Landesverbänden steigen die Mitgliederzahlen stark.
Bei aller Freude über den Wahlausgang aus Sicht der LINKEN bleibt das Gesamtergebnis der Wahlen trübe. Gut die Hälfte der Wähler:innen haben sich für eine rechts-nationalistische Partei (AfD) beziehungsweise eine stark nach rechts driftende konservative Partei (CDU/CSU) entschieden. Beim im Wahlkampf durch alle Medien wabernden „Hauptthema“ Migrationspolitik sind auch die SPD und die GRÜNEN auf einen verhängnisvollen nationalistischen und rassistischen Kurs in Richtung Festung Europa.
Die sich jetzt anbahnende neue Regierung aus CDU, CSU und SPD wird für die migrantische Bevölkerung eine echte Bedrohung werden. Auch in den Fragen der weiteren Militarisierung der Innen- und Außenpolitik wird sich die neue Regierung schnell einig sein. Bei beiden Themenblöcken wird es von Seiten der größeren „Oppositionsparteien“ AfD und GRÜNE auch keinen nennenswerten Widerstand geben.
So bleibt die LINKE im Grunde die einzige Opposition in den großen Fragen der Politik. Auch die Fragen der Sozialpolitik (Renten, Löhne, Mieten usw.) sowie der Klimapolitik werden die neue gesellschaftliche politische Polarisierung widerspiegeln. Das wurde im Wahlkampf schon sehr deutlich und war auch wegen der klaren Positionierung der LINKEN die Grundlage ihres Wahlerfolges. Es wird – darauf hat Thies Gleiss in der Debatte verwiesen – keine Basis für eine politische Allianz der LINKEN in der Oppositon mit anderen Parteien geben. Eine „Regierung im Wartestand“ sollte die LINKE deshalb auch gar nicht erst zu spielen versuchen. Harte verantwortungsvolle Oppositionsarbeit steht auf der Tagesordnung.
Hauptaufgabe in den nächsten Monaten muss es deshalb sein, die LINKE zu einer dauerhaften gesellschaftlichen Oppositionspartei aus- und aufzubauen. Stärkung der Kreisverbände, Weiterentwicklung der LINKE-hilft-Strukturen, Entwicklung neuer Parteistrukturen in allen gesellschaftlichen Bereichen und Weiterentwicklung der linken programmatischen Alternativen – das werden die Schwerpunkte sein. Dazu wird eine Bildungarbeit notwendig sein, die sowohl Grundlagen als auch Handwerkzeug vermittelt.
- Die neue Wendung im Ukrainekrieg und bei der US-Regierung
Im Rahmen der aktuellen politischen Diskussion war ein großer Unterpunkt die Bewertung der neuen politischen Ausrichtung der Trump-Regierung in den USA.
In diesem Kontext spielte auch eine kleine parlamentarische „Machtverschiebung“ zugunsten der LINKEN eine Rolle, die in den Medien gerade aufgeregt diskutiert wird. Zusammen mit der AfD hat die LINKE eine Sperrminorität im Parlament, um verfassungsändernde Beschlüsse zu blockieren. Das könnte – so rechnen die aufgescheuchten Parlamentsjournalist:innen gerade hin und her – zur Verhinderung der Auflockerung der „Schuldenbremse“ zugunsten weiterer Großausgaben für Rüstung, Kriegsertüchtigung und Ukraine-„Hilfe“ führen. Eine solche neue Aufrüstungsorgie wäre aber nötig, um „die Rolle der EU gegenüber der sich absondernden USA zu stärken“.
Es wird deshalb diskutiert, diese Probleme mit der Schuldenbremse und den neuen Finanzierungen der Militarisierung der Politik noch vor der Konstituierung des neuen Bundestages am 25. März und mit der alten Mehrheit ohne die Probleme mit der LINKEN zu regeln.
Es lag zu diesem Komplex ein Dringlichkeitsantrag vor – unterstützt von der Parteivorsitzenden Ines Schwerdtner und einer Reihe von PV-Mitgliedern, darunter die AKL-Genoss:innen. Der stellte nur die bekannte Beschlusslage der LINKEN fest:
– LINKE ist gegen die Schuldenbremse im Grundgesetzt und im aktuellen Handeln der Regierung.
– Die LINKE ist für verstärkte Ausgaben – in welcher formalen Weise auch immer – bei Investionen in die Infrastruktur, beim Klimaschutz und zur Entlastung der unteren und mittleren Einkommensschichten
– Die LINKE ist gegen eine weitere Aufrüstung und für die Reduzierung der Militärausgaben.
– Die LINKE ist gegen jegliches Junktim der Aufweichung der Schuldenbremse zugunsten mehr Aufrüstung und Kriegsvorbereitung mit Versprechen zu mehr sozialen Investitionen.
– Die LINKE wird für ihre eigenen Anträge und gegen die Vorlagen der Regierung stimmen, eine Zustimmen zu irgendeinem Antrag der AfD wird es nicht geben. Wie die AfD sich selbst bei Abstimmungen positioniert, kann die LINKE nicht beeinflussen und es wird darüber keine Verhandlungen mit der AfD geben.
Dieser im Wesentlichen unstrittige Antrag wurde leider von einem Alternativantrag abgelöst, der zu dem oben skizzierten zusätzlich noch eine Positionierung zum Ukrainekrieg integrieren wollte. Im Ergebnis stellt dieser Antrag einen Bruch mit der Beschlusslage der letzten Parteitage der LINKEN dar, mindestens ist er auslegbar, was sich jetzt schon gezeigt hat.
Dieser alternative Antrag wurde nach längerer Debatte mit Mehrheit gegen vier Stimmen angenommen. Er ist hier nachzulesen: https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteivorstand/parteivorstand-2024-2026/detail-beschluesse-pv/ukraine-unterstuetzen-china-einbinden-schuldenbremse-abschaffen-uno-statt-trump/
Von den AKL-Genoss:innen hat sich Nina Eumann bei der Abstimmung enthalten, Thies Gleiss stimmte gegen den Antrag. Im Anhang zu diesem Bericht gibt es die Begründung von Thies Gleiss für diese Ablehnung. Nina hat sich für die Abstimmung entschieden, weil sie das Bedürfnis von Genoss*innen, vor allem der Neumitglieder sieht, sich zu dem Themenkomplex zu verhalten.
Es bleibt die Schwierigkeit, mit ad-hoc-Anträgen im Parteivorstand umzugehen.
- Vorbereitung des Parteitages in Chemnitz am 09.und 10. Mai 2025
Für den kommenden Parteitag wurde die Einberufung, die Tagesordnung und der Zeitplan verändert und erneut beschlossen.
Es lag ein erster Entwurf für den Leitantrag zu diesem Parteitag vor. Er stellt – wie in der allgemeinen Aussprache zur politischen Lage schon deutlich wurde – den Aufbau der LINKEN handlungsfähige, demokratische und sozialistische Mitgliederpartei in den Mittelpunkt.
Die AKL-Genoss:innen im PV begrüßten den Entwurf und unterstützten den zentralen Ansatzpunkt. Von anderer Seite wurde der Entwurf deutlich kritisiert und in der Gesamtheit zurückgewiesen.
Über den Leitantrag des PV an den Parteitag wird deshalb erst am kommenden Sonntag in einer Videokonferenz des PV entschieden. Bis Donnerstag können dazu noch Änderungsanträge eingereicht werden.
- Weitere Beschlüsse
– Der PV Beschluss die Durchführung eines „Fachgespräches“ zum Komplex Nahost-Kriege, Palästinasolidarität und Antisemitismus.
– Der PV und die LINKE unterstützen die Kampagne der Europäischen Linken „Housing is not a privilege, it is a right“ zu Untersützung der linken Forderungen gegen die Wohnungsnot.
– Der PV nahm einen Arbeitsplan zur Neuausrichtung der Bundesgeschäftsstelle an.
– Der PV berief Tanju Tügel als neues Mitglied in den Ältestenrat der LINKEN.
Nina Eumann, Thies Gleiss, 03.03.2025
Anhang:
Warum ich den Antrag „Ukraine unterstützen – China einbinden – Schuldenbremse abschaffen – UNO statt Trump“ nicht unterstützt habe.
1.
Der am 01. März 2025 beschlossene und oben genannte Antrag an den Parteivorstand begeht den großen politischen Fehler, in der Opposition Regierung spielen zu wollen. Das sollte eine Partei eine Woche nach einem überzeugenden Wahlerfolg nicht machen, der den klaren Auftrag erteilt hat, eine schlagkräftige und politisch eindeutige Opposition im Parlament und auf der Straße zu sein. In Sachen Aufrüstung, Kriegsertüchtigung, militarisierte Außenpolitik und auch bei den haushalts- und finanzpolitischen Verrenkungen der Regierung muss eine solche Opposition ein klares Nein (ohne jedes Ja, wie es schon in der Bibel heißt) zu allen Vorschlägen aussprechen. Keine Partei im Bundestag vertritt auch nur annähernd eine Position, die mit der der LINKEN kompatibel ist.
Der Antrag sieht – im Gegensatz zur Beschlusslage der letzten Parteitage der LINKEN – eine verdrehte Aufstellung der Akteure: Russland als alleiniger Buhmann und Aggressor; die EU als Ausgangspunkt und Garantin einer demokratischen Alternative; die Trump-Regierung als plötzlicher Absonderling von dieser EU-Linie. Daran ist alles falsch und es ergibt sich daraus auch kein Ansatzpunkt einer realistischen linken Oppositionshaltung. Im Kern einer richtigen Analyse der Kräfteverhältnisse muss stehen, dass der Ukrainekrieg immer mehr zu einem Stellvertreterkrieg der großen internationalen Mächte wird. Was wird denn anderes aus dem neuen Format der „Friedensverhandlungen“ zwischen den USA und Russland deutlich als diese Schlussfolgerung? In diesem Stellvertreterkrieg gehen die beteiligten globalen Player regelmäßig neue und wechselnde Allianzen ein. Das war in einer vergleichbaren Situation vor dem 1. Weltkrieg so, das war auch im Balkankrieg rund um das Dayton-Abkommen so, das war im Lybien- und Irakkrieg so. Es ist ein Gerangel um eine Neuaufteilung der Welt in Markt- und Einflusszonen, bei dem eine linke Partei auf keiner Seite steht, sondern die internationalistische Solidarität verteidigt.
3.
Der Antrag fokussiert auch in einer Weise auf „China“, wo wirklich ernsthaft nachgefragt werden sollte: Who is it and what does ist – dieses „China“.
4.
Der Antrag unterwirft sich auch einer Partnerschaft mit „der EU“, die ja nicht minder harte Akteurin in diesem Stellvertreterkrieg ist. Jedes Zugeständnis, dieser EU, ihren Mitgliedsstaaten oder auch nur Deutschland das Recht auf einen Ausbau der Armee – und sei es nur zu „Verteidigung“ – einzuräumen, kann schnell tödlich enden. Eine linke Partei muss der allgemeinen Kriegsvorbereitung stattdessen massiv entgegenstellen. Die Armeen müssen radikal abgerüstet werden, die Waffen müssen schweigen, die Kriegsminister müssen abgelöst werden.
Thies Gleiss, 03.03.2025