Die Antikapitalistische Linke traf sich zur Bundesmitgliederversammlung. Von Sascha Stanicic
Rund achtzig Mitglieder und SympathisantInnen der Antikapitalistischen Linken (AKL) kamen im Anschluss an die Gedenkdemonstration zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 10. Januar zur alljährlichen Bundesmitgliederversammlung in Berlin zusammen. Darunter waren deutlich mehr Aktive aus Linksjugend[‘solid]-Gruppen als bei früheren Versammlungen dieser Art. Erfreulich aus Sicht der AKL war auch, dass TeilnehmerInnen aus Bayern, Brandenburg und Hessen anwesend waren – Landesverbände, die in der AKL bisher schwach vertreten waren.
Der BundessprecherInnenrat der AKL hatte der Versammlung eine Resolution mit „Sieben Vorschlägen für eine kämpferische LINKE 2016“ vorgelegt. Darin setzt sie sich kritisch mit der Politik der LINKEN auseinander und positioniert sich als bewegungsorientierte, antikapitalistische und kritische Kraft in der Partei. Der Resolutionsentwurf enthielt sowohl praktische Vorschläge, wie zum Beispiel eine Schwerpunktsetzung auf die soziale Frage, Friedenspolitik und die Durchführung einer Kampagne „Bleiberecht – Wohnungen für alle – Millionärssteuer jetzt“, um die Solidarität mit Flüchtlingen und den Antirassismus mit der sozialen Frage zu verbinden.
Der Text bekräftigte auch die vom AKL-Länderrat im September verabschiedete Positionierung zur Europäischen Union: „Die EU ist in erster Linie ein Instrument des deutschen Kapitals – mit Frieden, Demokratie und Völkerverständigung hat sie in der Realität nichts zu tun. Grundlegende Veränderungen können nicht im Rahmen der EU und des Kapitalismus durchgesetzt werden. (…) Wir sind der Auffassung, dass die LINKE-Position, die EU reformieren zu wollen, korrigiert werden muss.“
Auch zur Frage der Bildung von Regierungskoalitionen mit SPD und Grünen, wie sie kürzlich wieder einmal von Gregor Gysi gefordert wurden, fand der Resolutionsentwurf klare Worte und bekräftigte den Anspruch der AKL, Opposition gegen einen Ausverkauf von politischen Prinzipien, um auf die Regierungssessel zu kommen, innerhalb der Partei zu organisieren: „Wer mit dieser SPD auf Bundesebene regieren will, ist entweder nicht ganz dicht oder verfolgt eine andere Agenda. Aber auch in den Ländern führen Koalitionen mit der SPD und/oder den Grünen nicht zur gewünschten Umsetzung unserer Forderungen. Und: „Wenn diese Damen und Herren (SPD und Grüne, A.d.A.) ausnahmsweise mal ihre sozialen Wahlversprechen halten oder Verbesserungen aufgrund unseren Drucks umsetzen, werden wir ihre Maßnahmen unterstützen. Wir werden ihnen aber keinen Blankoscheck für ihre katastrophale Politik durch einen Regierungs- oder Koalitionsvertrag geben. Wir schlagen deshalb einen widerständigen oppositionellen Wahlkampf (…) vor.“
Die Formulierungen zur EU und zur Frage der Regierungsbeteiligung riefen den Widerspruch einer Gruppe von AKL-Mitgliedern hervor. Dazu zählten unter anderem die Bundestagsabgeordneten Niema Movassat und Andrej Hunko, Sylvia Gabelmann (Landesvorstand Hessen) und die Parteivorstandsmitglieder Nina Eumann und Tobias Pflüger. Sie interpretierten die Formulierungen als eine „Verengung der politischen Basis der AKL“ und als „Veränderung der politischen Grundlagen der AKL“. Konkret forderten sie die Aufnahme der so genannten „Roten Haltelinien“ in den Text und betonten, man müsse sagen, dass SPD und Grüne sich ändern müssen und nicht den Eindruck erwecken, dass eine Regierungsbildung grundsätzlich ausgeschlossen werde.
Hinsichtlich der EU betonten sie die Notwendigkeit auch im Rahmen der EU für Reformen zu kämpfen.
Letztlich betonten viele RednerInnen, dass es weniger um grundsätzlich oder überhaupt inhaltliche Meinungsverschiedenheiten gehe, als um Formulierungen. Niemand sprach sich tatsächlich für Regierungskoalitionen mit SPD und/oder Grünen aus, strittig war, wie man diese Haltung am besten in der Öffentlichkeit vermittelt. Und es stellte auch niemand in Frage, dass die EU insgesamt nicht zu einer sozial gerechten und friedlichen Institution reformiert werden kann.
Entschieden wurde, den Resolutionsentwurf in einer Redaktionsgruppe zu überarbeiten und bei der nächsten Sitzung des AKL-Länderrats zur Abstimmung zu stellen. Das war ein durchaus konstruktives Ergebnis, einer in der Sache deutlich, aber eben auch solidarisch geführten Debatte.
Bei der Wahl zu den Bundesparteitagsdelegierten (zu deren Zeitpunkt viele TeilnehmerInnen schon den Heimweg hatten antreten müssen) wurde das AKL-BundessprecherInnenratsmitglied Lucy Redler (35 Stimmen) zur Delegierten und Sylvia Gabelmann (8 Stimmen) zur Ersatzdelegierten gewählt. Bei den Männern wurde Thies Gleiss (26 Stimmen) zum Delegierten und Jürgen Aust (14 Stimmen) zum Ersatzdelegierten gewählt.
Die AKL hat sich auf dieser Mitgliederversammlung einmal mehr als streitlustige und kämpferische Strömung in der LINKEN präsentiert. Viele RednerInnen betonten, dass die AKL angesichts der Rechtsentwicklung in der Partei DIE LINKE „klare Kante“ zeigen, eine selbstbewusste Kritikerinnen-Rolle einnehmen müsse. Nun kommt es darauf an, die Inhalte in die Gremien der Partei zu tragen und dort für antikapitalistische Positionen und linke Mehrheiten zu kämpfen.
Zuerst erschienen auf: sozialismus.info