7. März 2019
Der Sprecherinnenkreis des Bundesarbeitskreises Gerechter Frieden in Nahost der Partei DIE LINKE begrüßt die vorgesehene Verleihung des Göttinger Friedenspreises an die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ und erklärt sich mit der Jüdischen Stimme und der Jury solidarisch.
Wir sind entsetzt über die Falschbehauptungen, Verleumdungen und Rufmordversuche gegen die Jüdische Stimme und darüber dass der Friedenspreis für die Jüdische Stimme nicht in städtischen oder universitären Räumen verliehen werden darf.[1] Wir begrüßen, dass die Galerie Alte Feuerwache ihre Räumlichkeiten zur Verfügung stellt und die Preisverleihung somit wie geplant am 9. März in Göttingen stattfinden kann.
Die Jüdischen Stimme wurde als antisemitisch verleumdet. Begründet wurde dies mit ihrer Unterstützung der BDS-Kampagne, obwohl es sich dabei um eine menschenrechtsorientierte Kampagne handelt.
Bereits am 9. Juli 2005 unterzeichneten über 170 Gruppierungen und Organisationen der palästinensischen Zivilgesellschaft den Aufruf „Boykott, Desinvestment und Sanktionen (BDS)“. Der Aufruf fordert Boykott, Abzug von Investitionen und Sanktionen gegen den Staat Israel, bis Israel seinen Verpflichtungen nach internationalem Recht Folge leistet.
Diese gewaltlosen Maßnahmen sollen solange aufrecht erhalten bleiben, bis der Staat Israel seinen Verpflichtungen gemäß internationalem Recht nachkommt und, wie in zahlreichen UN-Resolutionen gefordert, die Besetzung palästinensischer und syrischer Gebiete beendet, die systematische Diskriminierung der Palästinenser*innen im besetzten palästinensischen Gebiet und in Israel selbst einstellt und die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge gemäß UN-Resolution 194 zulässt.
Daraus ist ganz klar ersichtlich, dass sich die BDS-Bewegung gegen die völkerrechtswidrige israelische Politik richtet und nicht gegen Juden*. Der Vorwurf des Antisemitismus ist also völlig unangebracht.
Das Recht zum Boykott Israels, ist bereits vielfach anerkannt worden: so 2016 von 358 Menschenrechtsorganisationen, Kirchen, Gewerkschaften und politischen Parteien[2], von der Europäischen Union – vertreten durch Frederica Mogherini, der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik – auf Anfrage von 30 Mitgliedern des Europäischen Parlaments[3], von über 40 weltweit vertretenen jüdischen Organisationen[4], von 200 europäischen Rechtsgelehrten[5], vom Verwaltungsgericht Oldenburg am 27. September 2018[6] und von vielen Einzelpersonen.
Deren Entstehen und Wirken steht in untrennbarem Zusammenhang mit der seit einem halben Jahrhundert anhaltenden israelischen Okkupation des völkerrechtlich definierten palästinensischen Territoriums und mithin zielstrebigen Unterlaufens der Zwei-Staaten-Lösung. Woran auch westliche Politik insofern entscheidende Mitverantwortung trägt, als sie – abgesehen von stets folgenlosen Statements – jahrzehntelang die Augen davor verschlossen hat, dass Israel mittels seiner stabsmäßig betriebenen Siedlungspolitik die territorialen Grundlagen für die Realisierung auch des Existenzrechts eines Palästina-Staates an seiner Seite systematisch untergraben hat. Solange dieser Okkupationszustand fortbesteht und das legitime Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser*innen missachtet wird, werden auch Initiativen, wie die als Mittel gewaltlosen Widerstandes konzipierte BDS-Bewegung, weder durch Verbote noch andere Formen der Diskriminierung zu unterbinden sein.
Die BDS-Bewegung kann nur ihren Sinn verlieren, wenn Israel seine Okkupationspolitik gegenüber den Palästinenser*innen beendet und sich endlich zur Einhaltung des Völkerrechts bei der Lösung der Palästinafrage bereit zeigte. Das heißt insbesondere zur Respektierung eines lebensfähigen, souveränen Palästina-Staates in den Grenzen von 1967 und mit Ost-Jerusalem an der Seite Israels.
Die Verleumdungskampagne der Jüdischen Stimme und des Göttinger Friedenspreises reiht sich ein in die Front jener in Deutschland ein, die jegliche Affinität zu dieser Bewegung als Vorwand nutzen, um berechtigte Kritik an der israelischen Palästina-Politik aus dem öffentlichen Diskurs zu verbannen. Indem unter dem Slogan „Gegen Antisemitismus! Gegen BDS!“ Auftrittsverbote von Personen ausgesprochen, die Bereitstellung von Räumlichkeiten verweigert oder auch diesbezügliche Fachveranstaltungen an Hochschulen inquisitorisch beleuchtet werden.[7]
Sprecherinnenkreis des Bundesarbeitskreises Gerechter Frieden in Nahost
der Partei Die Linke
[1] Auf die Falschbehauptungen, Verleumdungen und Rufmordversuche geht Andreas Zumach, der Vorsitzende der Jury, detailliert in seiner Stellungnahme vom 14.2.2019 ein: https://www.juedische-stimme.de/2019/02/15/stellungnahme-des-vorsitzender-der-jury-zu-kritik-an-dem-preistraeger-die-juedische-stimme/
[7] Vgl. Heiko Flottau über die Versuche, Veranstaltungen zum Leiden der Palästinenser zu behindern, https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/011878.html sowie Liste be- oder verhinderter menschenrechtsorientierter Veranstaltungen: www.palaestina-portal.eu/Anlagen/AT.pdf