Kein »Stadtspaziergang«

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Berlin: Tausende Gegendemonstranten verhindern Marsch der NPD durch multikulturelles Kreuzberg. Von Ben Mendelson.

Wenige Tage vor den Demonstrationen rund um den 1. Mai haben am Samstag in Berlin Tausende Menschen einen Aufmarsch der rechtsextremen NPD verhindert. Da alle Ausweichrouten durch Anhänger des Bündnisses »Berlin Nazifrei« blockiert wurden, zogen sich die Rechten in einen Außenbezirk zurück.»Unser Blockadekonzept ist aufgegangen«, sagte Katharina Roth, Pressesprecherin von »Berlin Nazifrei« am Samstag nach Abschluß der Aktionen. Mehr als 6000 Antifaschistinnen und Antifaschisten hätten sich an den erfolgreichen Sperren beteiligt, so Roth. Dem Bündnis gehören unter anderen antifaschistische Gruppen sowie Berliner Landesverbände und Jugendorganisationen von Linkspartei, Grünen und ver.di an. »Berlin Nazifrei« organisiert auch für Donnerstag Gegenproteste: Die NPD hat für den 1. Mai eine Kundgebung vor einer neuen Flüchtlingsunterkunft im südlichen Neukölln angekündigt.

Am vergangenen Samstag wollten die Neonazis ursprünglich »für ein sauberes, ordentlich deutsches Kreuzberg« und »gegen Multikulti« einen »Stadtspaziergang« veranstalten, wie die NPD Ende März auf ihrer Internetseite schrieb. Dieser solle »die zur Zeit bekanntesten Brennpunkte« der Stadt aufsuchen: die Gerhart-Hauptmann-Schule, den Oranienplatz, den Görlitzer Park und das Kottbusser Tor. Alles Orte, die die Neonazis mit »Überfremdung, Kriminalität und Verslumung« verbinden. Der Bezirk Kreuzberg, in dem diese vermeintlichen »Brennpunkte« liegen, sei seit rund drei Jahrzehnten »ein multikulturelles Ärgernis«.

Doch so weit kamen die Rechtsextremen gar nicht: Die Polizei hatte, nachdem ihr eine »Geheimhaltungstaktik« vorgeworfen worden war, am Donnerstag die Demoroute bekanntgegeben – sie verlief nur durch das nördliche Kreuzberg und weiter nach Mitte. Und auch diese Ziele erreichte der NPD-Marsch nicht: Bereits beim Start wurden die weniger als hundert Neonazis von den Gegenprotesten aufgehalten.

Nur rund 200 Meter weit ging der Aufmarsch, dann hielt der NPD-Wagen für eine letzte Kundgebung an. Ein Redner der NPD wurde dabei wegen des Verdachts der Volksverhetzung vorläufig festgenommen, gegen ihn wurde Strafanzeige erstattet. Auch drei Personen, die aus dem Auto des NPD-Landeschefs Sebastian Schmidtke heraus Gegendemonstranten und Journalisten mit Feuerlöschern und Holzlatten attackiert hatten, wurden festgenommen.

Zu einigen Festnahmen kam es am Rande des Aufmarsches auch bei linken Gegendemonstranten: Rund um den Köllnischen Park gab es laut Polizei »Pyro-, Flaschen- und Steinwürfe« auf die Beamten. Diese setzten Schlagstöcke und Pfefferspray ein.

Das Bündnis »Berlin Nazifrei« macht die Polizei für die Verletzten und Festnahmen nach dem Start der Demo verantwortlich. »Wir verstehen nicht, wieso die Nazis überhaupt starten durften«, sagte Sprecherin Roth. »Nach den Massenblockaden durch Tausende Menschen und den Naziangriffen« hätte die Polizei den Aufmarsch beenden sollen.

Insgesamt waren 1600 Polizisten im Einsatz. Am Freitag hatte Innensenator Frank Henkel (CDU) angekündigt, am kommenden Donnerstag würden es 7000 Beamte sein.

Zuerst erschienen in: Junge Welt, 28. April 2013

 

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