Europa von unten

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Dezentral und länderübergreifend: Vom 15. bis 25. Mai veranstaltet die »Blockupy«-Bewegung Aktionstage gegen die Sparpolitik der EU. Von Elsa Koester

Rechtzeitig zu den Europawahlen meldet sich die kapitalismuskritische »Blockupy«-Bewegung mit dezentralen Aktionstagen zurück. Unter dem Motto »Solidarity beyond borders – building democracy from below« (»Grenzenlos solidarisch – für eine Demokratie von unten«) finden zwischen dem 15. und 25. Mai in über 20 europäischen Städten Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen für ein alternatives Europa statt. Das Datum ist symbolträchtig: Vor drei Jahren, am 15. Mai 2011, begann in Spanien die »15-M«-Bewegung gegen die Krisenpolitik der Regierung und für »echte Demokratie«. Gleichzeitig nutzt das Bündnis den Europawahlkampf, um seine Kritik an der Sparpolitik der Troika aus Internationalem Währungsfonds, EU-Kommission und Europäi­scher Zentralbank zu erneuern.

Organisiert werden die Proteste von einem europäischen Netzwerk aus linken Gruppen wie Interventionistische Linke (Deutschland) und Globalproject (Italien), der globalisierungskritischen Vereinigung ATTAC, belgischen und französischen Gewerkschaften und spanischen Plattformen gegen Zwangsräumungen und Privatisierung. Auch die griechische Linkspartei Syriza und Die Linke in der BRD unterstützen das Vorhaben.

Diese internationale Vernetzung wurde während der ersten Aktionen des »Blockupy«-Bündnisses 2012 in Frankfurt angestoßen. Dort kamen etwa 30 000 Menschen auf einer Großdemonstration gegen die Kürzungspolitik der Troika zusammen. »Daß der Protest gegen die EU-Spardiktate nur transnational sein kann, war uns von Anfang an klar«, erklärt Tine Steininger vom »Blockupy«-Bündnis gegenüber junge Welt. »Aber eine solche Organisierung ist nicht einfach und braucht Zeit. Obwohl von der Troika-Politik alle betroffen sind, gibt es eine Ungleichzeitigkeit der neoliberalen Angriffe. Deshalb haben wir uns für die Organisationsform der dezentralen Aktionstage entschieden: So können alle ihre eigenen Schwerpunkte setzen.«

Die Stoßrichtungen der Proteste in diesem Mai gehen weit auseinander. Während sich die Aktionen in Italien und Spanien gegen die Kürzungspolitik der Troika und gegen Privatisierung richten, konzentriert die Berliner »Blockupy«-Demonstration sich auf den Widerstand gegen den Umgang mit Flüchtlingen in der BRD und den Rechtspopulismus der Partei »Alternative für Deutschland« (AfD). In Athen haben auch rund 600 von der Entlassung bedrohte Arbeiterinnen eines öffentlichen Reinigungsunternehmens vergangene Woche beschlossen, sich den Aktionstagen anzuschließen.

Mit der Orientierung auf lokale Kämpfe reagiert die »Blockupy«-Bewegung auf die veränderte politische Landschaft in Europa. Die Zeiten der radikalen Umwälzung von oben, die sich in der Gründung der Troika und der Abschaffung der nationalen Souveränität Griechenlands und Italiens sowie in rigorosen Spardiktaten und Privatisierungswellen niederschlug, sind vorbei. Mit dem Europäischen Fiskalpakt, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und weiteren Strukturen zur Abstimmung der Wirtschaftspolitik (sogenanntes »Economic Governance«) konnten neoliberale Krisenmanager wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso ihre Schockstrategie etabliert.

Mit der Verbreiterung der Wirkung von »Blockupy« in die lokalen Kämpfe hinein kann allerdings auch eine Zerfaserung der Bewegung drohen. Für eine Bündelung des Widerstands setzen die Aktivisten auf eine Organisationsform, die wie keine andere der Komplexität von Netzwerken gerecht wird: auf das Internet. Bereits der Aufruf des europäischen Bündnisses ist entlang der drei »Hashtags« #solidarity, #democracy und #commons gegliedert (Solidarität, Demokratie und Gemeingüter). Als Hashtags bezeichnet man im Internet-Kurznachrichtendienst Twitter genutzte Schlagworte, die für aktuelle Debatten stehen – durch die Raute kenntlich gemacht. Auf diese Weise werden alle Beiträge einer Debatte miteinander verbunden.

Tine Steininger sieht in den europaweit abgesprochenen Hashtags ein vereinendes Element der Bewegung: »Hinter den drei Begriffen stehen unsere Ideen für ein Europa von unten: Gemeingüter statt Privatisierung, Demokratie von unten statt autoritärer EU-Strukturen, offene Grenzen und Bewegungsfreiheit für alle statt der Festung Europa.«

In Deutschland werden die Aktionen und Veranstaltungen zwischen dem 15. und 25. Mai von lokalen »Blockupy«-Bündnissen vorbereitet, die sich inzwischen in 17 Städten gegründet haben. Größere Demonstrationen finden am 17. Mai in Hamburg, Berlin, Düsseldorf und Stuttgart statt.

Nach dem dezentralen Auftakt im Mai will die »Blockupy«-Bewegung aber wieder zentral zusammenkommen. Protestschauplatz wird erneut die Europäische Zentralbank mit Sitz in Frankfurt am Main. Im Herbst wollen die Staats- und Regierungsschefs der EU bei der Eröffnung der neuen EZB-Türme ihr neoliberales Europa feiern – eine Party, die »Blockupy« mit europäischer Unterstützung absagen will.

Zuerste erschienen in: Junge Welt, 14. Mai 2014

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