Für ein antikapitalistisches internationalistisches Europa der Vielen statt eine EU der Banken und Konzerne

Print Friendly, PDF & Email

Stellungnahme des BSPR der AKL

Am 17. Juli 2023 haben die Parteivorsitzenden der Partei DIE LINKE mit großem Tamtam ihre Wunschkandidat*innen für die Europawahl im nächsten Jahre präsentiert. Vorgeschlagen werden sie ohne Kriterien für die Auswahl zu benennen, mit dem Hinweis mit diesen Kandidat*innen zeige die Partei: „DIE LINKE ist die Adresse für alle, die eine gerechtere EU wollen, die sich wünschen, dass soziale Gerechtigkeit, Demokratie, Menschenrechte und Klima im Vorwärtsgang verteidigt werden.“

Von den Medien ist diese Vorstellung überraschend positiv auch als klares Signal gegen die Positionen von Sahra Wagenknecht und für eine Neuausrichtung der Partei aufgenommen worden. Woran dies festgemacht wird, ist nicht so ganz klar. Es gibt ja noch kein Wahlprogramm, auf deren Grundlage klar wird, wofür die Kandidat*innen eintreten, wie es auch von Wagenknecht kein Programm „ihrer Partei“ und Absichten zur EU-Wahl gibt.
Es dauert noch einige Zeit bis zur Europawahl im Mai nächsten Jahres und auch der Bundesparteitag zur Aufstellung der Liste der LINKEN findet erst im November statt. Das Vorschlagsrecht für diese Liste hat nach der Satzung der Bundesausschuss. Der Bundesausschuss tagt erst im September und soll dann sowohl über den Vorschlag für ein Wahlprogramm als auch einen Listenvorschlag beraten und beschließen. Bei seinem letzten Treffen in Juni hat der Bundesausschuss sich mit diesen Themen beschäftigt und einen Beschluss für die Bewerbungen für einen Personalvorschlag für die Liste gefasst.  In dem Beschluss heißt es: „Der Beschlussantrag sichert die ordnungsgemäße Vorbereitung dieser Beratung.“ Es sind Kriterien und Erwartungen an mögliche Kandidat*innen festgelegt. Sie sollen ihre Bewerbungen bis zum 30. Juli 2023 einreichen.
Soweit so gut. Aber nun preschen die Parteivorsitzenden in unwürdiger Tradition mal wieder mit einem Personalvorschlag für ein sogenanntes Spitzenteam vor.  Auch wenn dies „nur“ ein Vorschlag der Parteivorsitzenden ist, werden damit mal wieder Fakten an allen Parteigremien vorbei geschaffen. Falls der Bundesauschuss oder der Parteitag sich für andere Kandidaturen oder eine andere Reihenfolge für die Liste entscheiden, sind Konflikte vorprogrammiert. Schon unmittelbar nach der Kandidat*innen-Kür preschen die ersten innerparteilichen Gegner*innen des Parteivorstandes vor und versuchen, die Kandidat*innen denunziatorisch schlecht zu machen.

Ohne Inhalt wird die Partei nicht mobilisiert, die Kandidat*innen verheizt und die Wähler*innen verunsichert.
Das größte Problem bei dieser Art der Kandidat*innen-Kür ist, dass Kandidaturen vorgeschlagen werden, ohne dass vorher das Programm für die Europawahl diskutiert und beschlossen wird. Wofür stehen die Kandidat*innen? Wie schätzen sie die EU ein? Im Beschluss des Bundesausschusses für die Anforderungen an die Kandidaturen heißt es völlig richtig „dass sie die Programmatik der Partei DIE LINKE aktiv vertreten“. Jetzt kann damit natürlich auch das Grundsatzprogramm der Partei gemeint sein und es ist ja auch richtig, das unsere Kandidat*innen das vertreten. Aber gerade in der Einschätzung der EU gab und gibt es in der Partei leider keine klare Ausrichtung. Diese Unsicherheit und Unklarheit in der Einschätzung der EU waren bei den letzten Europawahlen der entscheidende Grund für die schlechten Wahlergebnisse der LINKEN. Die Wähler*innen der LINKEN sind einfach zuhause geblieben.
Die EU ist seit ihrer Gründung undemokratisch, neoliberal und militaristisch. Sie wurde gegründet, um dem Kapital in den Mitgliedsländern beste Verwertungsbedingungen innerhalb des gemeinsamen Marktes zu schaffen. Davon profitieren die großen Konzerne und mit Einführung des Euro insbesondere das deutsche Kapital. Damit das Kapital ungehindert seinen Geschäften nachgehen und Profite auf dem Rücken der Arbeiter*innenklasse in den Mitgliedsländern anhäufen kann, wird die Festung Europa an den Außengrenzen mit Zäunen und Militär in Form der Frontex-Agentur abgeschirmt.
Der jüngste Beschluss zur Aussetzung des Asylrechts und der Internierung von Geflüchteten aus Kriegs- und Krisengebieten in Gefängnissen außerhalb der EU spricht eine deutliche Sprache.
Die EU sichert die Geschäfte der Konzerne außerhalb ihrer Grenzen mit Freihandelsabkommen, die für die Ausplünderung der Ressourcen der Länder des Südens und freien Zugang zu deren Märkten und damit der Zerstörung der jeweiligen heimischen Landwirtschaft und Produktion sorgen. Abgesichert wird dieses Geschäftsmodell durch die Militarisierung der EU. Mit der derzeitigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen haben die Ausgaben für Militär ganz neue Größenordnungen erreicht. Die Milliarden für die Aufrüstung der Ukraine werden unter dem verschleiernden Haushaltstitel „Europäische Friedensfazilität“ (EFF) geführt. Dass Krieg zum Frieden führt, wird ja schon lange versucht, den Menschen die eine friedliche Welt wünschen, einzureden. Welch ein Hohn.
Und leider hat das Europaparlament wenig zu entscheiden. Dafür ist in den Verträgen für die Europäische Union von den Gründungsmitgliedern gesorgt. Wichtige Entscheidungen werden von den Staats- und Regierungschef*innen der Mitgliedsländer im Europäischen Rat und/oder in der europäischen Kommission getroffen. Das wurde ja gerade an der Entstehung des sog. Asylkompromisses vorgeführt.
Wenn wir als LINKE nicht grundsätzliche Kritik an der EU der Banken und Konzerne äußern, sondern Illusionen in die Refomierbarkeit dieses Staatenbundes schüren, braucht uns niemand im Europaparlament. Notwendig ist eine linke antikapitalistische internationalistische Opposition in der EU. Dafür brauchen wir eine Diskussion in der Partei für ein Europawahlprogramm und Kandidat*innen, die dieses Programm dann auch vertreten.

Weder Ja zur EU noch zu den nationalistischen Parolen der AfD
Das Thema „EU“ spaltet die Gesellschaft und auch die LINKE. Die tiefe Krise der EU – in ihrem simplen, bürokratischen Funktionieren, ihrem Selbstverständnis und ihren politischen Zielsetzungen – ist ein wesentlicher Grund dafür, dass in allen Mitgliedsstaaten der EU nationalistische und ultrarechte Parteien und Organisationen massiven Zulauf und Wahlerfolge bekommen.
Die Linke in Europa und die LINKE in Deutschland haben angesichts dieses Vormarschs  der Rechten bisher keine erfolgreiche Strategie entwickelt. Leider übernehmen nicht wenige Kräfte in den linken Parteien die Losung der rechten Parteien, dass die EU durch ein „Europa der Nationalstaaten“ abgelöst werden sollte.
Das darf nicht die Losung der LINKEN werden. Es gibt eine Alternative zum „Europa des Kapitals“ und zum Nationalismus der Rechtsparteien: Ein sozialistische Perspektive für eine europäische Föderation, die gleichermaßen sozialer Gerechtigkeit, Menschenrechten wie radikalem Schutz von Klima und Umwelt verpflichtet ist. Ein Europa von Unten gegen die Macht der Banken und Konzerne.
Die Krise der LINKEN, ihre nicht länger in der Praxis durchhaltbare Unentschlossenheit und Unklarheit in Sachen EU, kann nur durch eine breite Mobilisierung und Debatte der gesamten Mitgliedschaft behoben werden. Die Inthronisierung von irgendwelchen „Spitzenkandidat*innen“ wird diese Debatte nicht ersetzen, sondern eher krisenverschärfend sein und obendrein die betroffenen Personen politisch beschädigen.

Wozu braucht es überhaupt „Spitzenkandidat*innen“?
Carola Rackete und Gerhard Trabert stehen als Nicht-Parteimitglieder für eine politische Praxis, die sich auf die Seite der Opfer der realen Politik der EU stellt. Özlem Alev Demirel hat im Europaparlament gegen die Militarisierung der EU, gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für ein Ende des Krieges durch Friedensverhandlungen klar Stellung bezogen. Aber genau diese politischen Positionierungen werden verpuffen, wenn sie nicht programmatische und strategische Zielsetzung und kollektive Praxis der gesamten Partei werden.
Die Aufstellung von Spitzenkandidat*innen hat der LINKEN noch niemals genützt, selbst dann, wenn sie demokratisch erfolgt wäre. Solche personellen Überhöhungen sind nichts als eine Unterwerfung unter die Vorstellungen der bürgerlichen Medien. Sie sind in einer demokratischen, sozialistischen Partei mit kollektiver Praxis der Mitgliedschaft immer ein Fremdkörper. Eine einfache Behebung der jetzt angerichteten Fehler könnte deshalb darin bestehen, auf solche feudalen Sonderämter wie „Spitzenkandidat*innen“ zu verzichten.