Wie die herrschende Klasse den Terroranschlag von Paris für ihre Zwecke instrumentalisiert. Ein Beitrag von Yannic Dyck, Linksjugend [‘solid] und AKL Göttingen
Staatsterrorist_innen aller Länder gaben sich in den letzten Tagen die Hand, um ihrer geheuchelten Trauer über den brutalen Anschlag in Paris medienwirksam Ausdruck zu verleihen. Dieser Terrorakt, so verkündeten sie einstimmig, sei ein Anschlag auf „uns alle“ gewesen, auf „unsere Werte“, auf „unsere Grundrechte“ und vor allem auf „unsere Freiheit“, die nun mit aller Macht verteidigt werden müsse. Und nach der Logik der herrschenden Klasse werden demokratische Rechte immer noch am besten verteidigt, indem man sie einschränkt oder abschafft.
Krokodilstränen für den Überwachungsstaat
Im Schatten der pompösen Inszenierung einer globalen Schockstarre, einer kollektiven Trauer der sogenannten „westlichen Wertegemeinschaft“, die sämtliche Klassenunterschiede im Angesicht der kolossalen Bedrohung irrelevant erscheinen lässt, fällt es den Regierenden in den imperialistischen Staaten plötzlich erdenklich leicht, durch die Erweiterung von Polizeibefugnissen, den Einsatz von Militär gegen die eigene Bevölkerung, den Ausbau von Bespitzelung, Totalüberwachung und Repressionsmöglichkeiten oder restriktive Gesetzesverschärfungen gegen soziale, kapitalismuskritische Bewegungen, an ihrem Ideal eines autoritären Staates zu basteln. Die herrschende Klasse versteht es ohne Zweifel durch perfektionierte Indoktrinationsmanöver in Gestalt abstrakter Feindbilder und Bedrohungsszenarien soziale und demokratische Errungenschaften der Arbeiter_innenbewegung anzugreifen und gleichzeitig den Eindruck zu erwecken, es diene „unserem eigenen Schutz“. So wird der Anschlag von Paris hierzulande zum Anlass genommen, den Überwachungsstaat durch Vorratsdatenspeicherung und die Aufrüstung der Polizei massiv ausweiten zu wollen. Waren solche Frontalangriffe reaktionärer Politiker_innen bislang am vehementen Widerstand weiter Teile der lohnabhängigen Bevölkerung gescheitert, scheint der jetzige Zeitpunkt günstig zu sein, um den Klassenkampf von oben zu verschärfen. An der Verhinderung potenzieller künftiger Terroranschläge haben sie dabei jedoch ebenso wenig Interesse wie Thilo Sarrazin an dem Bau einer Moschee in seiner Nachbarschaft – was u.a. daran ersichtlich wird, dass auch die umfassende Totalüberwachung in Frankreich den Angriff auf das Satiremagazin Charlie Hebdo nicht verhindern konnte oder sollte. Die Linke muss gerade zu einer Zeit, in der bürgerliche Medien (von öffentlich rechtlichem Rundfunk über Spiegel und Focus bis hin zu Springerpresse) gemeinsam mit aggressiven Heerscharen prokapitalistischer Politiker_innen (ganz gleich ob sie sich hinter einer grünen oder einer schwarzen Maske verbergen) unsere Rechte – mit der zynischen Argumentation diese verteidigen zu wollen – einzuschränken versuchen, mit geschärftem Bewusstsein zurückschlagen und auf der Straße wie in den Parlamenten klar zum Ausdruck bringen: „Eure Ziele, sind nicht die unseren. Wir lassen uns nicht vor euren Karren spannen.“
Bürgerliche Doppelmoral
Der Politik und den Medien der Herrschenden geht es weder um Solidarität mit Charlie Hebdo, noch um humanistische Grundüberzeugungen und schon gar nicht um scheinbar universelle Werte wie Freiheit und Gleichheit. Waren sie alle Odessa, als ukrainische Faschisten im vergangen Jahr ein Gewerkschaftshaus niederbrannten und dutzende Menschen massakrierten? Waren sie alle NSU-Opfer, als Neonazis in der BRD – gedeckt und verschleiert von deutschen Behörden und vom Verfassungsschutz – jahrelang barbarisch mordend durchs Land zogen? Sind sie alle die Millionen von Zivilist_innen, die durch imperialistische Kriege des Westens – von Vietnam bis Libyen – überall auf der Welt getötet wurden und immer noch werden? Sind sie die tausenden vor Krieg, Gewalt, Hunger und Tod Flüchtenden, welche die EU jedes Jahr im Mittelmeer ertrinken lässt? Waren sie alle der serbische TV-Sender RTS, welcher 1999 einem Terrorangriff der NATO zum Opfer gefallen war, der 16 Journalist_innen in den Tod riss; sahen sie darin etwa auch einen Angriff auf die Pressefreiheit? Sind sie die unzähligen Menschen in der afrikanischen Peripherie, deren Lebensgrundlagen für die Profitinteressen deutscher und europäischer Großunternehmen zerstört werden; die an Unterernährung sterben, während die europäischen Kapitalist_innenklassen ein paar hundert Meter weiter eine großflächige Agrarindustrie installieren und gewinnträchtig für den europäischen Markt produzieren lassen? Waren sie die Moscheen und Geflüchtetenunterkünfte, auf die im letzten Jahr in der BRD dutzende Anschläge verübt wurden? Waren sie Lichtenhagen, Solingen, Hoyerswerda? Waren sie Oury Jalloh? Sind sie Khaled Idris Bahray? Nein, in all diesen Fällen war und ist keine Welle der grenzübergreifenden Trauer, Solidarität und des kollektiven Gedenkens zu vernehmen. Sind diese Toten der Bourgeoisie vielleicht weniger wert, weil sie sich nicht für die Ziele der Herrschenden instrumentalisieren lassen und deshalb lediglich als Kollateralschäden der fortwährenden globalen Akkumulationsmaschinerie betrachtet werden?
Terroristische Kriege gegen den Terror
Den Terroranschlag vom 11. September 2001 nutzten die imperialistischen Mächte, um im Namen der Demokratie und der Menschenrechte in Afghanistan, im Irak und weiteren Staaten einzufallen und ihren bestialischen Massenmorden und unzähligen Kriegsverbrechen den Tarnumhang eines scheinbaren Kampfes für unsere Freiheit und gegen den Terrorismus umzulegen, der angeblich bis heute überall auf der Welt andauert. Dadurch verschleiern sie, dass das kapitalistische Herrschafts- und Wirtschaftssystem Kriege braucht, um seinen Profit- und Wachstumslogiken in Zeiten übersättigter Märkte und rückläufiger Profitraten durch das gewaltsame Erschließen neuer Märkte gerecht zu werden. Die Klasseninteressen der Herrschenden in den imperialistischen Staaten ziehen zwangsläufig das Verlangen nach Interventionskriegen nach sich, um sich neue Rohstoffe und Absatzmärkte erschließen zu können, um Rüstungsproduktion und –exporte in neue Sphären zu heben, um geostrategische Machtinteressen zu verwirklichen, um mehr und mehr Menschen verstärkt als billige Produktivkräfte für maximalen Mehrwert ausbeuten zu können. Imperialistische Kriege werden niemals im Interesse der Arbeiter_innenklasse geführt – weder auf der einen noch auf der anderen Seite; sondern bedeuten stets Mord, Vertreibung, Verelendung, unvorstellbares Leid sowie größtmögliche Unterdrückung und Versklavung der Mehrheit der Bevölkerung zum Zwecke der Bereicherung einiger weniger.
Da weite Teile der Lohnabhängigen dies verstanden haben und es für das Kapital und seine medialen und politischen Sprachrohre immer schwerer wird, die Mehrheit der Menschen für ihre Kriege einzuspannen, müssen Feindbilder konstruiert werden, welche die wahren Kriegsgründe verschleiern und militärische Aggressionen als alternativlos darstellen sollen. Vor diesem Hintergrund muss auch die politische Ausschlachtung des Verbrechens in Paris betrachtet werden, die „den Islamismus“ als fundamentale Bedrohung der nationalen Sicherheit und als Hauptaggressor auf demokratische Grundrechte geltend machen will. Bewusst verschwiegen wird dabei, dass „der Islamismus“ in der Regel zwar eine ultrakonservative Auslegung des Koran – aber keineswegs Gewalt und Terror – propagiert. Die Attentäter von Paris hingegen waren Dschihadisten (eine Gruppe die offen zur Gewalt gegen „Ungläubige“ aufruft, wozu sie im Übrigen auch die meisten Muslime zählt, welche sogar die überwältigende Mehrzahl der Opfer bisheriger dschihadistischer Gewalt ausmachten).
Gelingt es der medialen und politischen Propaganda die Klassengegensätze bis zur Unkenntlichkeit zu verwischen und uns einzutrichtern, dass dschihadistischer (oder wie sie sagen „islamistischer“) Terror durch imperialistischen Terror zu besiegen sei, dann ist die Legitimation für weitere blutige Interventionskriege gegeben. Die ersten Vorstöße in diese Richtung sind bereits zu vernehmen. So rief der israelische Ministerpräsident Netanjahu, der im letzten Jahr den Gazastreifen bombardieren und tausende Zivilist_innen töten und schwer verletzen ließ, bereits zu einer entschlossenen „weltweiten Reaktion gegen die Bedrohung unserer gemeinsamen Zivilisation“ auf. Und auch die deutschen Kriegstreiber_innen haben ein Interesse, den Anschlag auf Charlie Hebdo dazu zu nutzen, um ihren Ankündigungen „mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen“ konkrete, gewaltsame Taten folgen zu lassen. Die vieldeutige Äußerung „Euer Hass ist unser Ansporn“ aus dem Mund eines kriegsbefürwortenden Bundespräsidenten, wirkt in diesem Zusammenhang wie eine Drohung an alle friedliebenden Menschen. Auch hier kann unsere Antwort nur lauten: „Eure Ziele, sind nicht die unseren. Wir lassen uns nicht vor euren Karren spannen.“
Der Hauptfeind steht im eigenen Land
Um dies zu schaffen, müssen wir – ungeachtet der medialen Hetztiraden, die uns mit brachialer ideologischer Gewalt entgegenschlagen und jeglichen kritischen Klassenstandpunkt im Keim zu ersticken versuchen – analysieren, wie Dschihadismus überhaupt entstehen und erstarken kann. Am Beispiel des Siegeszugs des selbsternannten „Islamischen Staates“ kann nachvollzogen werden, dass dieser als eine direkte Reaktion auf die Invasion der Vereinigten Staaten von Amerika im Irak zu betrachten ist. Der von der US-Armee und der nach ihrem militärischen Sieg über Saddam Hussein von der Bush-Regierung errichteten Marionettenregierung im Irak verübte Terror, die Massenmorde, die Folterorgien in den Gefängnissen, die sich in besonderem Ausmaß gegen Sunnit_innen richteten, zogen nicht nur eine Radikalisierung derer Opfer nach sich, die letztlich zur mörderischen IS-Bande mutierten, sondern erklären auch ihren relativ großen Rückhalt unter Teilen der sunnitischen Bevölkerung, welche von der von der US-gestützten Maliki-Regierung auch nach der imperialistischen Intervention noch jahrelang diskriminiert, ausgegrenzt, angegriffen und niedergemetzelt wurde. Und selbst als das Monster IS außer Kontrolle geraten war, unterstützten wichtige Bündnispartner_innen der BRD dieses weiterhin durch Gelder, Waffen oder freies Geleit für Nachrücker_innen. Ein solches Resultat militärischer Aggressionen imperialistischer Staaten wird niemals durch weitere imperialistische Interventionen zu bekämpfen sein – im Gegenteil: jede Bombe, welche von den USA, von der NATO oder der BRD über dem Irak abgeworfen wird, stärkt die fundamentalistischen Positionen, jede durch US-Drohnen (oftmals von deutschem Boden aus) getötete Zivilistin lässt den Hass auf „den Westen“ zunehmend wachsen und führt zu weiteren Radikalisierungsprozessen. Daraus sollte erkennbar werden, dass terroristische Anschläge radikal dschihadistischer Gruppen weder verhindert werden können, wenn der Überwachungsstaat hierzulande ausgebaut wird noch durch neue imperialistische Aggressionen. Dem Terror seitens IS, Al-Qaida und Co ist nur beizukommen, wenn wir ihm die Existenzgrundlage entziehen, indem wir den Imperialismus und seine in den kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnissen zu suchende Grundlage hierzulande bekämpfen.
Islamophobie als Mittel zur Klassenspaltung
Wenn wir in den nächsten Woche vermehrt zu hören bekommen werden, dass der Terror von Paris einfach so vom Himmel gefallen sei, dass er angeblich durch kulturelle Rückständigkeit und Demokratiedefizite in (semi-)peripheren Staaten entstehe oder gar in der Religion des Islam begründet liege, ist es unsere Aufgabe als Sozialist_innen zu widersprechen und auf die wahren Ursachen hinzuweisen. Dies gilt nicht nur für das Erstarken reaktionärer Gegenbewegungen zum Staatsterrorismus der selbsternannten „westlichen Wertegemeinschaft“, sondern auch bezüglich der Radikalisierung junger Menschen in Europa. Sowohl aus Frankreich als auch aus der BRD sind in den vergangenen Monaten junge Muslime in den Dschihad gezogen; die Attentäter aus Paris selbst sind in Frankreich aufgewachsen, reaktionäre Fundamentalist_innen wie Pierre Vogel missbrauchen nicht nur die Religion sondern auch die Verunsicherung, die Entfremdung und die Perspektivlosigkeit vom System ausgegrenzter Menschen, die nach einem Halt im Leben suchen.
Die Herrschenden wollen uns weißmachen, dass die Gründe dafür in einer scheinbaren Integrationsverweigerung oder im Islam zu suchen seien, doch verfolgen sie dabei einzig das Ziel, uns entlang religiöser oder ethnischer Trennlinien zu spalten. Sie selbst sind es nämlich, die staatlichen, institutionellen Rassismus zu verursachen haben, die Muslime als Sündenböcke für die zunehmende soziale Spaltung herhalten lassen, die den Islam immer wieder auf Terror und Rückständigkeit reduzieren und damit die Mehrheitsbevölkerung gegen Muslime aufwiegeln, um ihre eigene Verantwortung an Lohn- und Sozialabbau, Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen sowie wachsender Ausbeutung zu verschleiern und kollektive Proteste der arbeitenden Klasse zu verhindern. Sowohl in der BRD als auch in Frankreich hat das zur Folge, dass Muslime auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie im Bildungssystem massiv diskriminiert werden, dass ihnen ein hohes Maß an Misstrauen und Ablehnung entgegengebracht wird, dass sie immer wieder Angriffen und Anfeindungen ausgesetzt sind oder dass rassistische, islamophobe Kampagnen (siehe Sarrazin), Parteien (siehe AfD, Front National) und Bewegungen (siehe PEGIDA) auf einer breiten ideologischen Basis gedeihen können. Auch wenn die prokapitalistischen Parteien von SPD bis CSU sich heute von Erscheinungen wie der rassistischen Massenbewegung PEGIDA oder der nationalchauvinistischen AfD distanzieren (wohl auch aus Angst um das Ansehen der BRD im Ausland oder davor, dass ausländische Akademiker_innen dem deutschen Kapital den Rücken kehren könnten), war es ihre rassistische und arbeiterfeindliche Politik, die solche menschenfeindlichen Perversionen entstehen ließ. Erst ein System, dass Muslime marginalisiert und zu Menschen zweiter Klasse werden lässt, ihnen Rassismus und Verachtung entgegenbringt, lässt es zu, dass in der Folge grenzenloser, unreflektierter Hass auf dieses System – und alles was damit verbunden wird – aufkeimt, den sich dann radikale, dschihadistische Rattenfänger_innen zunutze machen und für ihren Fundamentalismus einspannen, der ebenso falsche Feindbilder generiert. Zweifellos ist hier auch ein Versagen der Linken auszumachen, die es nicht geschafft hat, auf die Ausgegrenzten und Schwächsten in einem von Konkurrenz und Egoismus zerfressenen kapitalistischen Unrechtssystem zuzugehen und mit ihnen gemeinsam für dessen Überwindung zu kämpfen, bevor sie solchen Hassprediger_innen ins Netz gehen. Genau hier muss künftig ein zentraler Schwerpunkt unseres Wirkens liegen. Den finsteren Gestalten, die zurzeit in den Talkshows, Kolumnen und Kommentaren den Tod der französischen Journalist_innen zum Anlass nehmen, einen mit demagogischen Brandsätzen über „den bösen Islam“ und „die rückständigen, gewalttätigen Muslime“ vollgestopften Molotowcocktail in die Fensterscheibe einer ohnehin von antimuslimischem Rassismus zerfressenen bürgerlichen Klassengesellschaft zu schmeißen, muss einmal mehr entgegnet werden: „Eure Ziele, sind nicht die unseren. Wir lassen uns nicht vor euren Karren spannen.“
Der Ausweg heißt Sozialismus
Unser Ziel sollte es stattdessen sein, die von der ArbeiterInnenbewegung Jahrzehnte lang erkämpften sozialen Errungenschaften mit allen Mitteln zu verteidigen und aufzuzeigen, dass Spaltungen entlang nationaler, ethnischer oder religiöser Grenzen nur dazu dienen, die wahren Grenzen zwischen den Klassen, also zwischen oben und unten, zwischen Ausbeutenden und Ausgebeuteten, zu verwischen. Erwerbstätige und in die Erwerbslosigkeit Gedrängte in der BRD müssen sich darüber bewusst werden, dass muslimische und nicht muslimische Lohnabhängige dieselben Interessen nach einer sinnvollen, den eigenen Interessen und Fähigkeiten entsprechenden Tätigkeit, nach guten Löhnen, angemessenen Arbeitszeiten und –bedingungen, einer menschenwürdigen Wohnung, gesellschaftlicher Teilhabe, sozialer Sicherheit und einem lebenswerten Dasein haben. Rassismus, Islamophobie, Imperialismus, Krieg und radikaler Dschihadismus als Reaktion darauf können nur besiegt werden, wenn die gesellschaftlichen Macht- und Eigentumsverhältnisse, die private Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel – also das kapitalistische System an sich – überwunden werden und somit auch die Entfremdung des Menschen durch internalisierten Konkurrenz- und Profitlogiken. Die Alternative hierzu ist eine Gesellschaft, in der alle Menschen ihr Zusammenleben und die Wirtschaft gleichberechtigt und demokratisch nach ihren Bedürfnissen gestalten, in der die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen nur noch eine schreckliche Erinnerung aus grauer Vorzeit darstellt. Eine solche Gesellschaft nennen wir Sozialismus. Die Anschläge von Paris und die Instrumentalisierung dieser durch die Kapitalist_innenklasse machen einmal mehr deutlich, dass der Kampf für internationalen Sozialismus unabdinglich ist!
Kapitalismus überwinden oder verwalten? Die Rolle der Partei DIE LINKE
Allerdings muss uns klar sein, dass ein solcher Kampf nur zu gewinnen ist, wenn wir der neoliberalen Hegemonie eine revolutionäre Massenbewegung entgegensetzen können. Der Partei DIE LINKE muss dabei die Aufgabe zukommen, soziale, kapitalismuskritische Proteste und gewerkschaftliche Kämpfe zu unterstützen, zu vernetzen und ihnen eine Stimme zu verleihen. In Regierungsbeteiligungen mit bürgerlichen Parteien, die für die Zerschlagung sozialer Rechte, die zunehmende Verarmung großer Teile der Bevölkerung, für strukturellen Rassismus, für Kriege und das Erstarken reaktionärer Bewegungen verantwortlich sind, können weder die gesellschaftlichen Macht- und Eigentumsverhältnisse noch ihre verheerenden Folgen überwunden werden. Nur als radikale Opposition zur kapitalistischen Perversion, nur als sozialistische Systemalternative zu den etablierten prokapitalistischen Parteien kann DIE LINKE dazu beitragen, eine Gesellschaft zu errichten, in der die Bedürfnisse des Menschen statt denen des Kapitals im Mittelpunkt stehen.
Doch gibt es innerhalb der LINKEN Kräfte, die ein Interesse daran haben, antimilitaristische, antikapitalistische Grundüberzeugungen über Bord zu werfen und sich den Sachzwängen des Kapitalismus unterzuordnen, um in Bund und Ländern mitregieren zu dürfen. Die Debatte um den Pariser Anschlag sowie die damit einhergehende Instrumentalisierungsoffensive der Kapitalist_innenklasse und ihrer Sprachrohre verdeutlichen einmal mehr, dass eine Anbiederung an Parteien wie die SPD und die Grünen, die Politik gegen die Arbeiter_innenklasse machen, nur zur Folge hat, dass es uns unmöglich gemacht werden soll, auf die systemimmanenten Ursachen von Terror, Ausbeutung, Rassismus und Krieg hinzuweisen und uns der Propaganda der Herrschenden entgegenzustellen. So hat Sahra Wagenknecht völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die andauernden Drohnenmorde des Westens, denen bereits Tausende Unschuldige zum Opfer fielen, genauso verabscheuenswürdig seien wie das Verbrechen in Paris – und dass hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werden dürfe. Weiterhin erklärte sie zutreffend, dass auch die Bundeswehr Verantwortung für den Tod unschuldiger in Afghanistan trage und dass die Terroranschläge von Paris die logische Konsequenz nach sich ziehen müssten, sämtliche Militäreinsätze der Bundeswehr mit sofortiger Wirkung zu beenden. Der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann diffamierte ihre Äußerungen daraufhin als „unsägliche Entgleisung“ und „Beleidigung für alle deutschen Soldaten“, was allerdings nur ein weiteres Mal beweist, dass die Kriegspartei SPD lediglich als Interessenvertretung des Imperialismus sowie als Sperrspitze gegen sämtliche antimilitaristische, friedenspolitische Positionen agiert und dementsprechend nicht als unsere Bündnispartnerin – sondern einzig als unsere Gegnerin – betrachtet werden kann. Unerträglich wirkt in diesem Zusammenhang jedoch die anschließende Distanzierung des Bundesgeschäftsführers der LINKEN im Namen der Gesamtpartei von den Aussagen Wagenknechts, die einzig den Zweck erfüllt, die SPD-Spitze nicht zu verärgern und die LINKE auf Koalitionskurs zu trimmen. Wenn sich dieser opportunistische Kurs in der Partei durchsetzt, dann wird sie sich letztendlich doch vor den Karren der herrschenden Klasse spannen lassen und diesen am Laufen halten, statt ihn aus der Bahn zu werfen. Das kann und darf nicht unser Anspruch sein.