Gegen Terror, Krieg und Rassismus. Statement des Ortsverbandes Aachen der Partei DIE LINKE zu dem Anschlag in Paris und den politischen Folgen
Mit Bestürzung haben wir die Nachricht vom brutalen Mordanschlag am 7. 1. 2015 in Paris aufgenommen. Noch am selben Abend haben wir auf unserer Mitgliederversammlung ein erstes Statement dazu abgegeben. Nach inzwischen zwei Wochen finden wir es wichtig, etwas ausführlicher dazu Stellung zu beziehen. Gerade auch deshalb, weil dieser Terroranschlag politisch einen Rattenschwanz an Folgen nach sich zieht und für Politik missbraucht wird, gegen die wir uns als Linke klar stellen müssen.
Um es vorweg zu nehmen: Der Mordanschlag ist ein Akt der Barbarei, der aufs Schärfste verurteilt werden muss. Unser aufrichtiges Beileid gilt den Angehörigen und Freunden der Opfer. Unsere Verachtung und Feindschaft gilt den Tätern und ihren Hintermännern!
Wahrscheinlich dieselben politischen Kräfte die dort am Werk waren, sind es auch, die in Kobanê und anderswo fortschrittliche Kräfte bekämpfen.
Neue Nahrung für Rassismus und Anti-Islam-Hetze
Der Anschlag von Paris und die geplante Anschlagserie in Belgien stießen in ein ohnehin europaweit rassistisch vergiftetes Klima. In Frankreich feiert die Rechtsaußenpartei „Front National“ (FN) erschreckende Wahlerfolge und hetzt unverfroren gegen MigrantInnen, vor allem mit muslimischem Hintergrund. In Deutschland ist mit „PEGIDA“ eine islamfeindliche Bewegung auf den Straßen aktiv und stößt in den bürgerlichen Parteien von AfD über CDU/CSU bis zur SPD-Spitze auf Verständnis. Die CSU forderte auf ihrer jüngsten Klausur beschleunigte Abschiebungsverfahren. Alle Etablierten beschwören wie in den frühen 90ern das Asylproblem. Seit vielen Jahren schon wird gegen Muslime gehetzt. Muslime werden unter Generalverdacht gestellt, ihre Religion und Kultur pauschal als rückständig und gewaltaffin dargestellt. Bürgerliche Leitmedien spielen dabei eine verhängnisvolle Rolle. Im Zuge der „Kriege gegen den Terror“ wurden muslimische Staaten ins Visier genommen. Ein Mann wie Sarrazin brachte es zum Bestsellerautor. Muslime sind vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt. Das Aufkommen des militanten Salafismus und schließlich des IS haben die Angst vor „dem Islam“ weiter angeheizt. Dabei liefert die Bundesregierung weiterhin Rüstungsgüter an Saudi-Arabien und Katar und unterstützt damit indirekt den IS.
In dieses, nicht zuletzt durch etablierte Parteien und Leitmedien vergiftete Klima, kommt nun dieser Terroranschlag. Erwartungsgemäß nutzen rechte und islamfeindliche Kräfte dies aus: So marschierte PEGIDA dreist mit Trauerflor und sah sich bestätigt. Es ist davon auszugehen, dass der FN weiter davon profitieren wird. Die FN-Vorsitzende Marine LePen forderte unter dem Eindruck des Anschlags sofort ein Referendum zur Wiedereinführung der Todesstrafe. Es kam zu Anschlägen auf Moscheen und Menschen muslimischen Glaubens. Auch in Deutschland bekommt der ohnehin schon schwelende Rassismus neue Nahrung. Laut einer jüngsten Bertelsmann-Studie, empfinden 57% der befragten Nicht-Muslime den Islam als Bedrohung (2012 waren es 53%) und 61% denken, der Islam passe nicht in die westliche Welt. (2012 waren es 52%). PEGIDA bekam jüngst Gratis-PR im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen und die Landeszentrale für Politische Bildung Sachsen hat der rassistischen Bewegung Räume zur Verfügung gestellt. Und das vor dem Hintergrund, dass von diesen Demos offensichtlich rassistische Gewalt ausgeht. Der Mord an einem Asylbewerber in Dresden ist erschreckender Höhepunkt einer neuen Welle rassistischer Gewalt.
Reaktion von Oben: Überwachung und Abbau demokratischer Rechte
Der französische Staat hat den Notstand ausgerufen. Im Zuge dessen werden die Kompetenzen von Polizei und Geheimdienst erweitert und Demonstrationen wurden verboten – so eine Demonstration zur Solidarität mit Palästina. Die Terror-Angst hat dem unbeliebten Hollande historisch hohe Sympathiewerte verschafft.
In Deutschland sieht es auch kaum besser aus. Hier schüren bürgerliche Politiker und bürgerliche Leitmedien ebenfalls wieder die Terror-Angst und nutzen dieses Klima für Angriffe auf demokratische Rechte.
Nach einer Forsa-Umfrage (vom Oktober 2014!) fürchten sich 42% der Deutschen vor einem Terroranschlag. Solche Ängste lassen sich nur allzu gut für den Ausbau des Polizei- und Überwachungsstaates benutzen. Die Bundesregierung will PEGIDA-Demos jetzt verstärkt schützen und die alte Debatte über die Vorratsdatenspeicherung wurde neu entfacht.
Belgien setzt sein Militär ein.
Nach der Anti-Terror-Aktion in Verviers und der Aufdeckung von Anschlagsplänen durch Djihadisten
soll zum ersten Mal seit über 30 Jahren in Belgien wieder Militär im Inneren eingesetzt werden. Die Kompetenzen von Geheimdiensten und Polizei sollen erweitert werden. Dies geschieht in einer Phase des massenhaften Widerstands gegen die neoliberale Kürzungsorgie der belgischen Regierung, der mit dem Generalstreik vom 15.12. 2014 seinen vorläufigen Höhepunkt fand und eigentlich in diesem Monat in Phase 2 gehen sollte. Der Terrorismus und der staatliche „Kampf gegen den Terror“ lenkt hervorragend von der sozialen Krise im Land ab und bietet den an der Koalitionsregierung beteiligten flämischen Ultranationalisten eine Steilvorlage für rassistische Hetze gegen MigrantInnen muslimischer Herkunft und einen Vorwand für „Law-and-Order“-Politik. Es bleibt abzuwarten, ob die belgischen Gewerkschaften vor der Propaganda des „engeren Zusammenrückens der Nation“ zurückweichen werden oder den Widerstand gegen das neoliberale Kürzungsprogramm weiter fortsetzen, was die soziale Frage wieder in den Mittelpunkt rücken würde und helfen kann, Gräben zwischen Nationalitäten und Religionen zu überwinden.
Für Meinungsfreiheit und Satire – Gegen Hetze gegen Minderheiten und Heuchelei!
Nach dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ begann in Medien und Gesellschaft eine Debatte darüber, was Satire darf und wo die Grenzen liegen. Diese Debatte ist unserer Meinung nach irreführend. Denn es geht nicht um eine Frage der Kunst. Wir meinen, dass Satire und Kunst keinen Beschränkungen unterliegen darf. Auch Religionen dürfen kein Tabu sein. In der Tat ist dies ein erkämpftes Recht, das im „christlich-abendländischen“ Europa gegen den Widerstand von Kirche und Obrigkeit errungen wurde. Doch es gilt in Deutschland nicht einmal uneingeschränkt: So kann man in der Bundesrepublik Deutschland nach dem §166 (so genannter „Gotteslästerungsparagraph“) des StGB für die Herabsetzung religiöser Bekenntnisse zu bis zu drei Jahren bestraft werden! Jüngste Vorstöße zur Abschaffung des Paragraphen nach dem „Charlie Hebdo“-Massaker wurden von der Großen Koalition zurückgewiesen! Wir als LINKE fordern die ersatzlose Streichung des §166! Es sind Politiker wie Merkel und Co., die seit dem 7.1. „Charlie Hebdo“ sein wollen und angeblich für Meinungsfreiheit einstehen, die eine widerliche Doppelmoral an den Tag legen.
Das Magazin „Charlie Hebdo“ kommt aus einer linksalternativen Tradition und kann mit seinem Spott, der sich gegen etablierte Politiker wie gegen verschiedene Religion gleichermaßen richtet, nicht als heuchlerisch bezeichnet werden. Doch als Linke sehen wir die Art und Weise, wie „Charlie Hebdo“ den Islam kritisiert hat, als politisch in vielerlei Hinsicht fragwürdig an. So druckte die Zeitschrift bewusst die Mohammed-Karikaturen der rechtskonservativen dänischen Zeitung „Yllandsposten“ ab, veröffentlichte – zur Zeit der militärischen Besetzung von Afghanistan und Irak durch westliche Truppen – ein politisches Manifest von Intellektuellen gegen den Islamismus als „neue totalitäre Bedrohung“ und goss immer wieder Öl ins Feuer. Im Sinne des Anspruchs der „Verteidigung der Meinungsfreiheit“ und der „Religionskritik“ wurde über die ständige Benachteiligung von Muslimen und den herrschenden Rassismus als Hintergrund hinweggesehen und – unbewusst – mit nach unten getreten, Das ist in keiner Weise eine Entschuldigung für die Terroristen – Aber es macht deutlich, warum wir als Linke und Antirassisten keineswegs unkritisch „Wir sind Charlie!“ ausrufen können, sondern auch die Methoden der Religionskritik des Magazins einer politischen Kritik unterziehen müssen.
Was verteidigen wir? Was wollen wir?
Vor allem aber sind wir nicht bereit, unter der Losung der „Verteidigung unserer westlichen Werte“ zusammen mit Merkel, Hollande und anderen auf die Straße zu gehen. Als Linke sind wir gegen jeden Rassismus und jede Spaltung entlang nationaler, religiöser und kultureller Linien. Wir wollen ein besseres Leben für alle. Für so eine Gesellschaft stehen aber Merkel, Hollande & Co. sowie das System welches sie verwalten und repräsentieren nicht. Im Gegenteil:
Sie sind Teil des Problems. Mit den Kriegen die sie geführt haben und noch führen, sind sie mit verantwortlich für Terrorismus und den Tod von Tausenden.
In diesem Sinne erklären wir unsere Solidarität mit Sahra Wagenknecht, die für ihr Gleichsetzung von Terrorismus und Drohnenkrieg des Westens vom rechten Flügel unserer Partei (speziell von Matthias Höhn) attackiert wurde.
Der Kampf für eine bessere Welt frei vom täglichen Elend des Kapitalismus muss von Menschen aller Nationalitäten und Religionen erreicht werden. Eine Gesellschaft frei von Sozialabbau, Armut, Niedriglöhnen, Arbeitslosigkeit, Existenzängsten, Kriegsgefahr und institutionalisierter Diskriminierung ist möglich. Dies würde Rassismus, religiösem Fundamentalismus und Terrorismus den sozialen Nährboden entziehen.