Antifa heißt Klassenkampf

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Zur Heuchelei des bürgerlichen und antideutschen Antifaschismus. Von Yannic Dyck

„Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.“ Mit dieser Aussage brachte Max Horkheimer im Jahr 1939 die elementare Grundprämisse eines jeden antifaschistischen Kampfes auf den Punkt. Erst aus der notwendigen Erkenntnis des Charakters vom Faschismus als radikalste Form bürgerlicher Klassenherrschaft kann ein effektiver Antifaschismus erwachsen, der die kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnisse als Ursache faschistischer Entwicklungen in den Fokus rückt und sich nicht ausschließlich auf die Bekämpfung der Symptome (organisierte Neofaschisten) konzentriert. Doch scheint diese Erkenntnis heute vielen selbsternannten „Antifaschist_innen“ – insbesondere unter den „Antideutschen“ – abhanden gekommen zu sein.

Der neue „linke Antifaschismus“
Neoliberale, geschichtsrevisionistische, totalitarismustheoretische Diskurselemente konnten sich in den letzten Jahren unter dem Deckmantel einer scheinbar emanzipatorisch-kritischen Gesellschaftskritik mehr und mehr in der gesellschaftlichen, parlamentarischen und autonomen Linken festsetzen. Trotz teilweise divergenter analytischer Schlussfolgerungen ist diesen angeblichen „Antifaschist_innen“ in aller Regel die Grundüberzeugung gemein, dass der Faschismus ebenso wie der Sozialismus eine mögliche Ausgestaltung des Kollektivismus sei, der sich auf eine antikapitalistische Massenbasis stützen würde. Davon ausgehend müsse sich antifaschistisches Engagement sowohl gegen Neonazis als auch gegen systemkritische Massenbewegungen richten, da ihnen stets faschistoide Züge bzw. ein völkischer Charakter zumindest strukturell innewohnen würden. Die Gefahr, die von den vereinten Massen ausgehe und sich vor allem gegen die individuellen Freiheiten des einzelnen Menschen richte, wird demnach als Grundlage eines Faschismus ausgemacht, welcher als Gegenbild zu einer – mit der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie imperialistischer Staaten gleichgesetzten – Zivilisation dargestellt wird. Ob es sich dabei um Massenaufmärsche organisierter Faschisten handelt, um rechte, geflüchtetenfeindliche, antimuslimische Bewegungen wie Pegida oder aber um linke Bündnisse, die gegen Krieg, Ausbeutung oder Wohnungsnot auf die Straße gehen, wird von „antideutschen Antifaschist_innen“ zumeist als irrelevant erachtet.
Als ideologische Legitimation für ihre Gleichsetzung von Faschismus und Sozialismus werden dabei oftmals Antisemitismustheorien herangezogen, die – ausgehend von der sich zu Teilen antikapitalistisch gebenden Demagogie des deutschen Faschismus – eine Einheit zwischen Antikapitalismus, Antisemitismus und Faschismus herzuleiten versuchen. So wird z.B. die schon von der NSDAP propagierte antisemitische Unterteilung in schaffendes (also produktives, ehrliches, fleißiges, dem „deutschen Volk“ zugeschriebenes) Kapital und raffendes (also „dem gierigen, hinterlistigen, schmarotzenden Juden“ zugeschriebenes) Kapital, welche im Ergebnis die von der Religion unabhängigen kapitalistischen Eigentumsverhältnisse verteidigen soll, auch heute noch zum Anlass genommen, faschistische Denkkategorien auf eine marxistische Gesellschaftskritik zu übertragen. Dadurch versuchen diese angeblichen „Antifaschist_innen“ jeglicher radikaler, sozialistischer Kapitalismuskritik den Stempel aufzudrücken, strukturellen Antisemitismus hervorzubringen und somit zwangsläufig regressiv zu sein. Dieser Logik zufolge ist eine konkrete Analyse der Klassengegensätze und Ausbeutungsverhältnisse in kapitalistischen Gesellschaften zwangsläufig antisemitisch, da Antisemit_innen in den Nutznießer_innen des Systems grundsätzlich „die Juden“ ausmachen würden. Demnach sei die Offenlegung der Rolle der Besitzer_innen der Produktionsmittel als direkte Profiteure von Ausbeutungsverhältnissen eine verkürzte oder personalisierte Kapitalismuskritik, die an antisemitischen Ressentiments anknüpfe. Auf dieser Grundlage wird dann bspw. die linke Kernforderung den nach Vergesellschaftung der Banken und Konzerne zur strukturell antisemitischen These umgedeutet, welche Konnotationen einer jüdisch-bolschewistisch Weltverschwörung bzw. jüdischer „Strippenzieher“ in sich trage oder zumindest bedinge.
Die eben skizzierten Erklärungsmuster sind natürlich weder links noch emanzipatorisch oder progressiv, sondern Ausdruck eines falschen Bewusstseins, das auf die Adaption bürgerlicher Prämissen zurückgeht und eine herrschaftsstützende, konterrevolutionäre Wirkung entfaltet. Sie bringen also lediglich in verschwurbelter, scheinwissenschaftlicher Diktion die Interessen der Herrschenden und ihres Parteienkartells zum Ausdruck. Auf diese Weise soll die Partei DIE LINKE – ähnlich wie früher die SPD und später die Grünen – in dieses Parteienkartell integriert und regierungsfähig gemacht und auch die außerparlamentarische Linke auf Dauer handlungsunfähig und systemkonform umgestaltet werden.
Revolutionäre Sozialist_innen dürfen die Gefahr, die von solchen ideologischen Konstrukten ausgeht, nicht unterschätzen. Denn verbunden mit einem hedonistisch-subkulturellen Lifestyle und einer sich alternativ und cool gebenden Szenekultur wirkt dieser neue „Antifaschismus“, der sich als moderne Alternative zu einem scheinbar „überholten Traditionsmarxismus“ (der ganz nebenbei mit dem Stalinismus gleichgesetzt wird) einerseits und einem spießbürgerlichen Alltag andererseits anbietet, gerade für Jugendliche aus privilegierten Schichten durchaus attraktiv. So konnte sich der stark akademisch-elitär eingefärbte Diskurs bereits in wesentlichen Teilen autonomer Antifa-Strukturen breitmachen und in einigen Landesverbänden der Linksjugend hegemonialen Einfluss erlangen. Allerdings würde es zu kurz greifen, primär von einem Jugendphänomen auszugehen. In der „kritischen“ Wissenschaft, in alternativen Medien oder in Statements prominenter (Ex-)linker Persönlichkeiten kommen diese Argumentationsmuster immer wieder zum Vorschein. Und auch auf dem rechten Flügel der parlamentarischen LINKEN bedient man sich immer häufiger eines solchen vermeintlichen „Antifaschismus“, um antikapitalistische Kräfte innerhalb der Partei zu diskreditieren und sich inhaltlich der neoliberalen Agenda von SPD und Grünen anzunähern. Gegen diese bürgerliche Instrumentalisierung müssen wir den Inhalt und die Traditionen des Antifaschismus aus einer marxistischen Perspektive verteidigen.

Faschistische Diktatur und bürgerliche Demokratie – Zwei Kinder derselben Mutter
Dazu gilt es zunächst einmal zu unterscheiden zwischen dem von bürgerlicher Ideologie verfälschten Antifaschismus und einem revolutionären, antikapitalistischen Antifaschismus in der Tradition des historischen sozialistischen Widerstandes gegen den Faschismus und seine im Kapitalismus begründete materialistische Grundlage. Denn nur indem wir den „Antifaschismus“ der Herrschenden als gezielten Angriff auf die sozialen und demokratischen Errungenschaften der Arbeiterklasse entlarven, kann es uns gelingen, eine handlungsfähige, antifaschistische Linke aufzubauen und den Einfluss der „Tellerlecker der Bourgeoisie“ (Rosa Luxemburg) im antifaschistischen Widerstand zu überwinden
Wenn Bundespräsident Gauck anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung Europas vom deutschen Faschismus den Alliierten dafür dankt, „uns in Deutschland ein Leben Freiheit und Würde“ ermöglicht zu haben, wird schnell deutlich, was die politische Klasse der BRD mit ihrer Art von „Antifaschismus“ bezweckt: Die Gegenüberstellung von Faschismus als Ausgeburt des Bösen und bürgerlicher Demokratie als Hort der Freiheit und der Würde. Durch die Bezugnahme auf den deutschen Faschismus versuchen das Kapital und seine staatlichen Repräsentant_innen also den bürgerlichen Parlamentarismus der BRD mitsamt seiner neoliberalen Kürzungs- und Verarmungspolitik, seinem repressiven Überwachungsapparats, seinem strukturellen Rassismus und seiner brutalen sozioökonomischen Selektionsapparate schön zu reden. Denn im direkten Vergleich zum industriellen Massenmord und dem bestialischen Vernichtungskrieg der Faschisten wirken die Ausbeutungsverhältnisse im bürgerlich-parlamentarisch organisierten Kapitalismus als „kleineres Übel“, obgleich auch durch ihn ein großer Teil der Weltbevölkerung zu schrecklichem Elend und zum Hungertod verurteilt wird.
Der „Antifaschismus“, den die prokapitalistischen Parteien, Medien und Intellektuellen predigen, erfüllt also eine integrative, herrschaftsverschleiernde Funktion. Die lohnabhängige Bevölkerung soll unter ständiger Erinnerung an die Gräuel des deutschen Faschismus daran gehindert werden, ein Bewusstsein ihrer Klassenlage zu erlangen und zu erkennen, dass die bürgerliche Freiheit des privaten Besitzes der Produktionsmittel keineswegs den objektiven Interessen der unterdrückten Klasse entspricht, die gezwungen wird, ihre Arbeitskraft für den Profit anderer zu verkaufen, sondern einzig den Herrschenden nutzt. Der Faschismus selbst ist jedoch nur eine besondere Form bürgerlicher Klassenherrschaft, die vom Kapital dann eingesetzt wird, wenn sich unter den Bedingungen einer tiefen Krise des Kapitalismus eine starke, revolutionäre Arbeiterbewegung entwickelt und die bürgerlichen Herrschafts- und Eigentumsverhältnisse bedroht. Dann paktieren große Teile des Kapitals mit faschistischen Bewegungen, um ihre bedrohte Machtstellung abzusichern und alle gewerkschaftlichen und politischen Organisationen der Arbeiterklasse (ob revolutionär oder reformistisch) zu zerschlagen. Die tragische Ironie des Ganzen wird darin erkennbar, dass das Kapital und sein politisch-ideologischer Überbau das in der Bevölkerung anerkannte Label „Antifaschismus“ gerade dazu verwenden, jene kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu legitimieren und abzusichern, die in Folge zugespitzter ökonomischer Krisen und sozialer Verwerfungen, wachsender Unzufriedenheit, Entfremdung und Verelendung selbst immer wieder Faschismus hervorbringen müssen. Das wirkt so, als würde man Schnaps als Heilmittel gegen Alkoholismus anpreisen.

Kapital und „linke“ Neokons – Vereint im Klassenkampf von oben
Der „Antifaschismus“ selbsternannter Linker, die meist im weitesten Sinne dem neokonservativen Spektrum der sogenannten „Antideutschen“ zuzuordnen sind, versucht also genau diese neoliberalen Denkmuster in linken Organisationen und Zusammenschlüssen zu etablieren. Damit machen sich diese „Linken“ zum Steigbügelhalter der herrschenden Klasse, indem sie – ebenso wie Gauck, Gabriel, Merkel oder Seehofer – bürgerliche Freiheitsrechte zur Zivilisation deklarieren, deren Verteidigung dann als „antifaschistischer Kampf“ betrachtet wird. Noch deutlicher wird dies, wenn wir in Betracht ziehen, dass derselbe Bundespräsident, der den alliierten Befreiern öffentlichkeitswirksam seinen Dank ausrichtet, als Unterzeichner der Prager Deklaration und führender Totalitarismustheoretiker energisch für die Gleichsetzung der stalinistischen Verbrechen mit der Vernichtungsideologie des Faschismus eintritt und Sozialismus sowie Faschismus regelmäßig als zwei Seiten einer Medaille darstellt. Wie anfangs beschrieben, ist es genau dieser totalitarismustheoretische, staatstragende Diskurs, der sich mehr und mehr in linke Strukturen hineinfrisst. Dabei stellt dieses Denken nicht nur eine unerträgliche Verunglimpfung des historischen antifaschistischen Widerstandes dar und relativiert den Holocaust, sondern diskreditiert und erschwert darüber hinaus den antikapitalistischen Kampf gegen Lohndumping, Sozialabbau, rassistische Gesetze und alle weiteren Formen von kapitalistischer Unterdrückung und Ausbeutung. Die implizite bis offen formulierte Gleichsetzung von linker Gesellschaftskritik mit faschistischem Menschenhass stellt eine Form des Klassenkampfes von oben dar, der auch von den antideutschen Stoßtruppen des Regierungsflügels der LINKEN mitgefochten wird. Dementsprechend darf auch eine Selbstverortung innerhalb der Linken (groß und klein geschrieben) nicht darüber hinwegtäuschen, dass Vertreter_innen neoliberaler, reaktionärer, antikommunistischer Positionen stets als politischer Gegner und nicht als Verbündete angesehen werden sollten.
Faschismus, Antikapitalismus & Reproduktion bürgerlicher Ideologie
Darüber hinaus ist die These, dass antikapitalistische Massenbewegungen zu den Wurzeln des Faschismus gehören würden, untragbar, was u.a. am Beispiel des deutschen Faschismus zu belegen ist. In Wirklichkeit war es nämlich die Spaltung der deutschen Arbeiterklasse und ihrer sozialdemokratischen bzw. stalinistischen Massenparteien, die einen gemeinsamen und dadurch erfolgreichen Widerstand gegen den Faschismus verhindert hatte. Ungeachtet dieser historischen Fehler der Führungen von SPD, KPD und Gewerkschaften hat die damalige Arbeiterbewegung der antijüdischen Demagogie der Nazis widersprochen und sich nicht für antisemitische Schuldzuweisungen und Rassenideologie einspannen lassen. Eben deshalb wurden mit der Machtergreifung Hitlers die Gewerkschaften zerschlagen, die politischen Organisationen des Proletariats zerstört und linke, sozialistische und kommunistische Kräfte verfolgt, deportiert und systematisch ermordet. Die ökonomische Klassenherrschaft der Großkonzerne blieb dabei unangetastet. Unternehmen wie Bayer, Thyssen und Daimler oder die Deutsche Bank profitierten in erheblichem Ausmaß von Zwangsarbeit, Kriegswirtschaft, Menschenvernichtung und der Aneignung des Eigentums von Teilen der (als „jüdisch“ deklarierten) Marktkonkurrenz. Wer heute den Faschismus als Produkt einer antikapitalistischen Massenbewegung betrachtet, reproduziert nicht nur bürgerlichen Revisionismus zur Verschleierung des Klassencharakters des Faschismus, sondern übernimmt auch das Selbstverständnis der Faschisten und verwechselt deren Demagogie mit historischen Tatsachen.

Faschismus heißt bürgerliche Klassenherrschaft!
Dabei ist es genau die innere Logik des Kapitalismus nach grenzenlosem Profitstreben, Konkurrenz, Egoismus und der Ungleichbehandlung sowie Diskriminierung von Menschen, die sich im Faschismus nur in besonders brutaler Form manifestiert. Spaltungsmechanismen, die in bürgerlichen Demokratien produziert werden, um fiktive Sündenböcke für fortwährende soziale und ökonomische Missstände, die im Kapitalismus selbst angelegt sind, zu schaffen und die Arbeiterklasse von einem gemeinsamen Kampf für ihre Interessen abzuhalten, werden im Faschismus aufgegriffen und auf die Spitze getrieben. Nationalismus und Rassismus treten bereits in der bürgerlichen Demokratie an die Stelle von Klassengegensätzen und schaffen ausgegrenzte Outgroups, die dann unter der faschistischen Gewaltherrschaft vollständig entrechtet, verfolgt und getötet werden. Der Holocaust an Roma, Sinti, Jüdinnen und Juden und vielen weiteren Gruppen, die nach faschistischer Rassenlehre als minderwertig erachtet wurden, ist also keineswegs aus dem Nichts entstanden, sondern stellt eine perverse Zuspitzung bürgerlicher Herrschaft dar, welche die ideologische Maske der grundlegenden und universellen Menschen- und Bürgerrechte abgelegt und sämtliche von der Arbeiterbewegung erkämpfen sozialen und demokratischen Rechte, die einer ausufernden Kapitalakkumulation im Wege stehen, abgeschafft hat. Nach außen bietet der Faschismus dem Kapital zusätzliche Möglichkeiten, seinem fortwährenden ökonomischen Expansionsdrang, also der Eroberung neuer Märkte auch mit militärischen Mitteln, Ausdruck zu verleihen. So konnte die deutsche Bourgeoisie die Blut und Boden-Ideologie des Faschismus dazu nutzen, ihre durch den Ersten Weltkrieg und den Versailler Vertrag geschwächte Stellung im Wettrüsten der imperialistischen Staaten um ökonomische und politische Einflusssphären auf kriegerische Weise umzusetzen. Solange sich dieser Angriffskrieg gegen die nicht-kapitalistische (also noch auf das Gemeineigentum an den Produktionsmitteln gestützte) Sowjetunion richtete, sahen die westlichen Alliierten gerne über die faschistischen Verbrechen und Genozide hinweg und gingen ungerührt ihren Geschäften mit der aufstrebenden Wirtschaftsmacht Deutschland durch. Erst als sich die Aggressionen der Wehrmacht dann nicht mehr nur gegen die sowjetische Arbeiterklasse sondern auch gegen die Westalliierten selbst richteten und ihren Anteil am Weltmarkt in Frage stellten, wurde mit dem bürgerlichen „Antifaschismus“ ein ideologisches Banner für den Kampf gegen die Hegemonialansprüche des deutschen Kapitals gehißt.

Die Gefahr eines neuen Faschismus ist real!
Nach der historischen Niederlage des deutschen Faschismus war die herrschende Elite der BRD darum bemüht, die bürgerlich-parlamentarische Demokratie als einzig denkbaren Gegenentwurf zu ihrem Vorgängermodell zu präsentieren, um einen sozialistischen Neuanfang im zerstörten Europa zu blockieren. Faschismus galt fortan im bundesdeutschen Diskurs als terroristische Herrschaft, an deren Zustandekommen die gesamte deutsche Bevölkerung mehr oder minder gleichermaßen schuldig gewesen wäre und die sich aufgrund nun zugestandener bürgerlicher Freiheiten und humanistischer Aufklärung nicht wiederholen könne. Durch diese Kollektivschuldthese sollten nicht nur der antifaschistische Widerstand von Sozialdemokrat_innen wie Kommunist_innen und der antisozialistische Charakter des Faschismus ignoriert werden, sondern auch seine ökonomischen Grundlagen, die (wenn auch mit einer anderen ideologischen Begleitmusik) weiterhin fortbestehen. Heute, 70 Jahre nach der Befreiung vom deutschen Faschismus, wächst die Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten mit dem kapitalistischen Herrschafts- und Wirtschaftssystem erneut an (nach repräsentativen Umfragen wird die kapitalistische Marktwirtschaft von etwa einem Drittel der deutschen Bevölkerung abgelehnt). Sozialkürzungen, die Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen, Gentrifizierungs- und Privatisierungswellen, ein zugespitzter Konkurrenzkampf und eine steigende Ökonomisierung aller Lebensbereiche (vom Bildungssystem bis zum durchkommerzialisierten Freizeitsektor) und weitere Angriffe auf die Arbeiterklasse, die von neoliberalen, arbeiterfeindlichen Parteien von SPD bis CDU in den letzten Jahren umgesetzt wurden, haben bestehende Ausbeutungsverhältnisse zugespitzt und eine soziale Abstiegsspirale in Gang gesetzt, die zu einer zunehmenden Entfremdung der Massen vom bürgerlichen Parlamentarismus führt (was sich bspw. in der kontinuierlich sinkenden Wahlbeteiligung bei nahezu sämtlichen Bundes- und Landtagswahlen ausdrückt). In Folge globaler Krisen der kapitalistischen Weltwirtschaft nimmt die Unzufriedenheit der Lohnabhängigen mit der herrschenden kapitalistischen Politik weltweit zu. Und auch wenn die BRD als Hegemon innerhalb der neoliberalen EU bislang primär von der – durch wilde Spekulationen und Geldgeschäfte der Kapitalistenklasse verursachten – Finanzkrise profitieren konnte, indem sie die Bevölkerung der europäischen Peripherie dazu nötigt, durch Spardiktate für die Schulden europäischer Banken und Konzerne aufzukommen, werden die Folgen bald auch verstärkt auf die deutsche Arbeiterklasse zurückfallen, was weitere Kürzungen im Gesundheits- Bildungs- und Sozialwesen sowie eine verstärkte Massenarbeitslosigkeit hervorrufen wird. In der Konsequenz ist abzusehen, dass die abhängig Beschäftigten diese Zumutungen nicht mehr länger stillschweigend hinnehmen werden und der Klassenkampf sich auch hierzulande zuspitzt. Je mehr diese Integrationsfunktion der Massen in den freiheitlich-demokratisch getarnten Kapitalismus nachlässt und die Mehrheit der Menschen ihre Klasseninteressen erkennt und für ein System eintritt, indem diese verwirklicht werden können, desto stärker wird die bürgerliche Reaktion wieder einmal ihre demokratische Maske ablegen und mit allen Mitteln für den Erhalt der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse kämpfen. Der staatliche Gewalt- und Repressionsapparat wird schon jetzt immer systematischer und brutaler gegen die Arbeiterklasse und ihren sozialen wie politischen Widerstand eingesetzt. Darüber hinaus werden bestehende rassistische Feindbildkonstruktionen verstärkt, um die lohnabhängige Bevölkerung zu spalten und im Klassenkampf zu schwächen. Die Grundlage dafür haben die bürgerlichen Parteien z.B. mit ihrer zutiefst menschenverachtenden Flüchtlingspolitik, die auf Abschreckung, soziale Ausgrenzung und Abschiebung zielt, oder mit einer Welle antimuslimischer Hetze, die vom bürgerlichen Medienapparat und solchen geistigen Brandstiftern wie Sarrazin oder Broder nochmals kontinuierlich zugespitzt wird, bereits gelegt. Selbiges gilt für die Konstruktion äußerer Feindbilder („der reaktionäre Moslem“, „der böse, aggressive Russe“), die nicht nur die Kämpfe des deutschen Imperialismus um Absatzmärkte, Rohstoffe und Einflusssphären vor der Arbeiterklasse rechtfertigen soll, sondern auch dazu dient, genannte Repression und Bespitzelung zu legitimieren (bspw. mit der Begründung einer vermeintlichen Terrorgefahr) und Ressentiments und Ausgrenzung innerhalb der deutschen Gesellschaft abermals zu stärken (bspw. durch die Unterstellungen der Islam und der Terrorismus gehörten zusammen und „die Ausländer_innen“ würden „unseren Wohlstand“ gefährden). Wenn all das nicht ausreicht, um das Klassenbewusstsein der Massen zu brechen, wenn es der bürgerlichen Demokratie also nicht mehr gelingt, die Bevölkerung für die Interessen des Kapitals einzuspannen, wird die herrschende Klasse schließlich noch radikalere Schritte zur Zerstörung der Arbeiterbewegung einschlagen. Spätestens dann ist die Gefahr eines neuen Faschismus offenkundig.

Kampf dem Faschismus heißt Kampf dem Imperialismus
Die neoliberalen, totalitarismusheoretischen Verblendungen, die von Teilen der „Linken“ Besitz ergriffen haben, verkennen genau diese zentrale Tatsache, dass Faschismus und bürgerlicheDemokratie verschiedene Ausprägungen des Kapitalismus sind, die unterschiedlichenKrisenbedingungen dieser Gesellschaftsordnung entsprechen und situationsbedingt ineinander übergehen können. Dabei erdreisten sich diese „Antifaschist_innen“ auch noch imperialistische Kriege als „antifaschistische Aktion“ hochjubeln zu lassen. Von Milošević über Saddam Hussein bis zu
Assad und Putin werden Wiedergänger Hitler herbeifantasiert um (unter Rückbezug auf die aus der Zeit des Faschismus erwachsene „Verantwortung Deutschlands“) imperialistische Aggressionen der BRD, der USA und der NATO zu verteidigen oder zu fordern. Die Zerschlagung Jugoslawiens durch einen völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskrieg wurde von den rot-grünen Kriegstreiber_innen mitbewussten Lügen über angebliche serbische Konzentrationslager erklärt und damit begründet, dass aus der Erfahrung von Auschwitz die „antifaschistische“ Erkenntnis erwachsen müsse, eine mögliche Wiederholung auch auf kriegerische Weise zu verhindern. Damit gelang es der deutschen Bourgeoisie mit Hilfe ihrer scheinlinken Interessenvertretung erstmals, ihre Profitinteressen, die sie in imperialistischen Feldzügen durchzusetzen versucht, als moralisch notwendigen Kampf für Menschenrechte und gegen faschistischen Terror zu verklären. Seither wird jene Legitimationsrhetorik regelmäßig auf beliebige Regionen transferiert, in denen die BRD Krieg führt. Die dahinterstehende Vergewaltigung des historischen Antifaschismus, der den Faschismus immer als radikale Ausprägung des Imperialismus verstand, sollte allerdings spätestens dann offensichtlich werden, wenn der deutsche Imperialismus in der Ukraine den von Faschisten elementar getragenen Maidan-Putsch und die anschließende Regierungsbildung unter Beteiligung bekennender Neonazis, die einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führen, mit allen Kräften unterstützt, weil es den Machtinteressen der herrschenden Klasse in der BRD nützlich ist. Doch dazu schweigen die pseudolinken „Antifaschist_innen“. Stattdessen überholen sie die Propaganda der Herrschenden teilweise sogar noch auf der rechten Spur, indem eine kollektivistische, antisemitische, islamische Barbarei herbeihalluziniert wird, die in der Forderung „antifaschistischer“ Kriege des „zivilisierten“ kapitalistischen Westens bspw. gegen den Iran münden. Dabei merken diese Kriegshetzer_innen, die sich selbst als emanzipatorisch, links und teilweise sogar als Kommunist_innen begreifen, nicht einmal, wie sehr ihre rassistische, islamfeindliche, bellizistische, proimperialistische Ideologie derer der Faschisten ähnelt.

Revolutionärer Antifaschismus heißt mehr als gegen Nazis zu sein
Ein Antifaschismus als Antwort auf jede bürgerliche Herrschaft muss die gesellschaftlichen Ursachen des Symptoms Faschismus in den Mittelpunkt rücken. Er muss radikal, revolutionär, antikapitalistisch und antiimperialistisch sein. Er muss den Kampf gegen Krieg, Ausbeutung, Rassismus, Profitstreben und Faschismus als untrennbare Einheit begreifen und ihn mit dem Kampf für eine Gesellschaftsordnung verknüpfen, in der die freie, gleiche Kooperation alle Gesellschaftsmitglieder den privaten Besitz an Produktionsmitteln ersetzt. Er muss die Macht- und Kapitalinteressen, die hinter dem falschen „Antifaschismus“ der herrschenden Eliten und ihrer vermeintlich linken Gefolgschaft stecken, entlarven und den gemeinsamen, solidarischen Kampf der ausgebeuteten Mehrheit der Menschen gegen die Klassenherrschaft der Bourgeoisie vorantreiben. Ein revolutionärer Antifaschismus muss die neoliberale Politik der Systemparteien angreifen, da sie den Nährboden für faschistisches Gedankengut bilden.
Wenn SPD, Grüne, CDU und FDP durch Lohndumping, Hartz IV, Niedriglöhne, Leih- und Zeitarbeit oder Angriffe aufs Streikrecht die Lebensbedingungen für Millionen von Menschen massiv verschlechtern; wenn sie durch Waffenverkäufe, imperialistische Kriege und globale Wirtschafts- und Handelsabkommen, die Lebensgrundlagen der Menschen in peripheren Staaten zerstören und unfassbares Leid über die indigenen Bevölkerungen bringen; wenn sie gleichzeitig an der Abschottung Europas vor den Opfern ihrer brutalen Politik bauen lassen, die jährlich tausende von flüchtenden Menschen in Tod treibt; wenn sie dann noch über „die Flüchtlinge“, die eine große Belastung darstellen würden, schwadronieren, antiziganistische Stereotype über sozialschmarotzende Roma aus Südosteuropa oder integrationsunwillige Muslime verbreiten – dann schaffen sie genau die rassistischen, nationalistischen, chauvinistischen Erklärungsmuster, die sich Faschisten in zugespitzter Form zu eigen machen. Deshalb muss Antifaschismus vor allem bedeuten, die wahren Gründe für sozialen Abstieg, Armut und Perspektivlosigkeit aufzuzeigen und der Verschleierungs- und Spaltungsstrategie, der bürgerlichen Parteien, Medien und prominenten Scharfmacher_innen eine Systemalternative entgegenzusetzen.

Antifaschismus heißt Revolution!
Diesen klassenbewussten Antifaschismus müssen wir in die Betriebe, in die Schulen, in die sozialen Proteste und Bewegungen hineintragen. Nur so können wir sowohl den verlogenen, systemstützenden „Antifaschismus“ der Herrschenden und ihrer Gefolgschaft innerhalb der Linken (als Partei und als Bewegung) als auch die Anziehungskraft faschistischer Organisationen zurückdrängen. Darüber hinaus müssen wir überall da, wo Nazis aufmarschieren und öffentlichen oder sozialen Raum für ihre menschenverachtende Demagogie beanspruchen, entschiedenen Widerstand leisten, Blockaden und Gegenveranstaltungen organisieren. Dazu bedarf es einer breiten Front aus Gewerkschaften, linken Gruppen, der Partei DIE LINKE, migrantischen Verbänden und allen progressiven Kräften. Neoliberale Kräfte wie die SPD oder antideutsch geprägte „Antifa“-Gruppen nutzen diese Bühne gelegentlich, um ihrem systemkonformen, heuchlerischen „Antifaschismus“ Ausdruck zu verleihen. Mit diesen Gruppen ist jedoch kein dauerhaftes antifaschistisches Bündnis möglich. Ihre praktische Politik und ihre Ideologien machen die Faschisten erst stark und verhindern eine notwendige Thematisierung der systemimmanenten sozialen, politischen und ökonomischen Ursachen für Faschismus, Rassismus, Lohn- und Sozialabbau, weshalb eine Volksfront mit ihnen, den Wesensbestandteil eines ernstgemeinten Antifaschismus ins Gegenteil verkehren würde. Ein bloßes Ablehnen von Neonazis macht noch lange keinen Antifaschismus aus!