Verpasste Chancen

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Bericht des LandessprecherInnenrats der Antikapitalistischen Linken Niedersachen vom Landesparteitag der LINKEN. Niedersachsen in Hameln

AKL Niedersachsen
Der Landesparteitag der LINKEN. Niedersachsen in Hameln hat nach der deutlichen Wahlniederlage nicht den von Manfred Sohn angekündigten „antikapitalistischen Neustart“ gewagt. Anstelle von Signalen für eine Rückbesinnung der LINKEN auf die systemkritischen Kernbotschaften des Erfurter Programms und die Beendigung der gescheiterten Anbiederungsversuche an SPD und Grüne lautete das politische und personelle Motto eher: „Weiter so“.Wahlauswertung

In der Generaldebatte betonten nicht nur die RednerInnen der Antikapitalistischen Linken (AKL), dass die vom Wahlprogramm nicht gedeckten Koalitions- und Bündnisangebote an SPD und Grüne wesentlich zum Verlust von mehr als 130.000 früheren Wählern beigetragen haben. Auch in den Wahl- und Plakatslogans habe die LINKE viel zu wenig ihre antikapitalistischen Alleinstellungsmerkmale sowie die Unterschiede zu den rot-grünen Scheinversprechungen betont. Der alte und neue Landesvorsitzende Manfred Sohn hatte wenigstens nachträglich eingeräumt, dass sich die Suche nach einem vermeintlich „linken“, rot-rot-grünen Lager als „verträumte Illusion“ erwiesen habe. Die neue Landesvorsitzende Sabine Lösing sprach sich dafür aus, dass DIE LINKE – z.B. bei Lohnforderungen – „radikaler“ auftreten müsse.

Verbindliche Schlussfolgerungen konnten daraus in Hameln jedoch nicht abgeleitet worden, da das Präsidium eine Beratung und Veränderung der beiden vorliegenden Leitanträge verhindert hat. Die beschlossene „Wahlanalyse“ von Manfred Sohn enthält Richtiges und Falsches, aber definitiv keinen Handlungsauftrag für den neuen Landesvorstand. Der von Heidrun Dittrich vorgestellte Alternativantrag der AKL blieb – wie auch die meisten anderen Sach- und Personalvorschläge der AKL – mit ca. 1/3 der Delegiertenstimmen bei der Schlussabstimmung in der Minderheit.

Wahlergebnisse

Bei den Wahlen für die neue Doppelspitze wurde Manfred Sohn ohne einen Gegenkandidaten mit 74% bestätigt und die Europaabgeordnete Sabine Lösing mit deutlicher Mehrheit gegen die AKL-Sprecherin Heidrun Dittrich sowie gegen Kerstin Rudek gewählt. Auch bei den Wahlen für den erweiterten Landesvorstand sowie den Bundesausschuss konnten sich die KandidatInnen der AKL mit einem Anteil von bis zu 30% der Delegiertenstimmen nicht gegen den taktischen Block der sogenannten „Reformer“ und dem Parteizentrum durchsetzen.

Dieses Bündnis hatte im Wahlkampf die umstrittenen Koalitionsofferten an SPD und Grüne ohne Rücksicht auf das Wahlprogramm auf den Weg gebracht und wollte jede Beteiligung von Kritikern dieses Kurses an der neuen Parteiführung mit vereinten Kräften verhindern. Als Landesgeschäftsführerin wurde nach ähnlichem Schema Maren Kaminski bestätigt, die Finanzen werden durch Ole Fernholz und Helga Nowak verwaltet. Die allseits beschworene „Stärkung der Kreisverbände“ ist durch die Kürzung ihres Haushaltsanteils und die Billigung einer LAG „Außerparlamentarische Fraktion (APF)“ aus früheren Landtagsabgeordneten ein Lippenbekenntnis geblieben. Der Versuch, den innerparteilichen Einfluss der früheren Landtagsfraktion durch eine Querschnitts-AG zu konservieren, birgt die Gefahr unnötiger Parallelstrukturen. Auch die sehr intransparenten Kommunikationsstrukturen im niedersächsischen Landesverband, die in den letzten Jahren immer wieder für großen Unmut gesorgt haben, wurden zwar in Hameln gelegentlich angesprochen, konnten aber ohne einen mehrheitsfähigen Leitantrag nicht neu geregelt werden.

Delegiertenwahlen

Die Delegierten für Hameln wurden in den Kreisverbänden mitten im Wahlkampf gewählt. Da die Delegiertenwahlen unter diesen Bedingungen kaum inhaltlich vorbereitet werden konnten, waren sie stark von persönlichen bzw. strömungsorientierten Polarisierungen (insbesondere gegen die AKL) geprägt. Dies hatte zur Folge, dass sogar starke Minderheiten von einer proportionalen Vertretung beim Landesparteitag ausgeschlossen wurden. Im KV Hannover ging das so weit, dass ein übergetretenes SPD-Mitglied unbedingt die Delegiertenliste mitbestimmen sollte, ohne überhaupt schon Mitglied der LINKEN zu sein. Rechtzeitige Warnungen dass solche Satzungsverstöße den Landesparteitag insgesamt anfechtbar machen könnten, wurden – trotz Bestätigung durch die Landesschiedskommission – in den Wind geschlagen. Die AKL kämpft mit politischen Vorschlägen für antikapitalistische Mehrheiten in der Partei. Trotzdem erwarten wir, dass Beschlüsse (wie zum Wahlprogramm), klare Satzungsbestimmungen oder Beschlüsse der Landesschiedskommission respektiert und nicht leichtfertig missachtet werden.

Bundesführung

Vertreter der Bundespartei- bzw. Fraktionsführung hatten sich für den Hamelner Parteitag nicht angesagt, obwohl gerade auch Niederlagen wertvolle Erfahrungen für die zurzeit diskutierte Strategie bei den Bundestagswahlen beinhalten können. Erst am Sonntag hielt Wolfgang Gehrke, ein Vertreter des linken Parteiflügels, eine mit viel Beifall unterstützte Rede, in der er vor weiteren Koalitionsangeboten an SPD und Grüne mit der Begründung warnte, dass DIE LINKE in solchen Bündnissen nicht einmal Auslandseinsätze der Bundeswehr verhindern könne.

Rolle der Antikapitalistischen Linken

Die AKL hat mit ihren Vertretern auf dem Landesparteitag eine inhaltlich sehr wichtige Rolle gespielt, ohne dass dieser gewachsene Einfluss nur einige Monate nach ihrer Gründung als Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) schon personell in den Leitungsgremien zum Ausdruck kommen konnte. Am informellen AKL-Treffen am Samstagabend nahmen etwa 40 Genossinnen und Genossen teil, von denen einige der LAG nun auch offiziell beigetreten sind. Die Stimmung unter den AKL-Mitgliedern war nach dem monatelangen Dauerbeschuss durch die Parteiführung und die Medien zum Teil sehr kritisch bis gereizt, dies hat die LAG aber nicht an sachlich-konstruktiven Bemühungen um eine antikapitalistische Neuaufstellung des Landesverbandes gehindert. Wir werden nun versuchen, die Erfahrungen aus den Landtagswahlen in den Bundestagswahlkampf und das entsprechende Wahlprogramm einzubringen. Das gilt auch für die Liste des Landesverbandes zu den Bundestagswahlen, für die unsere Landesprecherin und Bundestagsabgeordnete Heidrun Dittrich antreten wird.

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