Alternative Präambel zum LINKE-Bundestagswahlprogramm: 100 % Frieden, 100 % sozial!
Dieses Land braucht starke Veränderungen – nur eine starke LINKE wird dieses Land verändern
„Man muss so radikal sein wie die Wirklichkeit“ (Bertolt Brecht)
Die aktuelle gesellschaftliche Situation verlangt geradezu danach, dass DIE LINKE im kommenden Bundestag wieder mit einer starken Fraktion vertreten sein wird. Wer, wenn nicht wir, steht in der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise noch auf der Seite der Opfer und Verlierer_innen der herrschenden Politik? Wer erhebt noch grundsätzlich gegen die Ausbeutung der Mehrheit durch eine verantwortungslose, dekadente Minderheit die Stimme? Wer außer uns vertritt im Bundestag angesichts des Bürgerkriegs in Syrien und der Patriot-Raketenstationierung in der Türkei, angesichts des Militäreinsatzes in Mali und der Kriegsdrohungen gegen den Iran noch konsequente friedenspolitische Positionen? Wer außer uns streitet für gute Lebens- und Arbeitsverhältnisse aller Menschen ohne Rücksicht auf angebliche Sachzwänge und Gesetze des Marktes?
Die Gesetze des Marktes ließen 2008 auch die US-amerikanische Investmentbank Lehman Brothers stolpern und schließlich selbstverschuldet durch ihre pure Profitgier zusammenbrechen. In der Folge fielen in kurzer Zeit weltweit zahlreiche Banken und Investmentfonds wie die Dominosteine um. Diese anfänglich, auch vom damaligen SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, als Finanzkrise verharmloste neue Weltwirtschaftskrise bildet den vorläufigen Höhepunkt einer kapitalistischen Entwicklungsphase. Sie ist einerseits gekennzeichnet durch vehemente Steigerungsraten der Profite von Banken und Konzernen und andererseits durch gleichzeitig zunehmenden Sozialabbau, Drangsalierung und Ausbeutung von Lohnabhängigen, Erwerbslosen und sozial abgehängten Menschen. Wir alle sind somit Zeugen einer gigantischen systematischen Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben – „Noch nie wurde derart viel Geld von so vielen Menschen zu so wenigen umgeleitet“ (Joseph E. Stieglitz, Nobelpreisträger für Wirtschaft 2001).
Diese Systemkrise des Kapitalismus wirkt dabei gleichzeitig als Verstärker für die scharfen sozialen Verwerfungen, denn ihre Wurzeln reichen mindestens in die 1970er Jahre zurück. Seitdem hat es die herrschende Kapitalmacht verstanden, die von Arbeitern und Gewerkschaften erkämpften sozialen Errungenschaften zu revidieren, und dies in beschleunigter Art und Weise seit dem Ende des Kalten Krieges 1989, dem darauf folgenden Zusammenbruch des osteuropäischen Sozialismusversuches und nicht zuletzt durch die zügige Deregulierung von Finanz- und Arbeitsmarkt während der Rot-Grünen Koalition von 1998 bis 2005. In diesen Jahren ist das Krisenhafte für eine große Mehrheit zu einer alltäglichen Lebensform geworden, ist für viele Menschen die Lebensperspektive verunsichert oder zerstört worden. Auch gegenwärtig sind es die schon Benachteiligten, die für Egoismus, Eigennutz und falsche Politik die Zeche zahlen müssen. Denn was bisher an politischen Maßnahmen gegen den tiefen ökonomischen Verfall ergriffen wurde, dient vor allem dazu, das Finanzkapital zu stützen und die Lasten für die bürgerlich-kapitalistische Klientel erträglich zu gestalten und spitzt damit die Krise weiter zu.
Weltweit wächst dagegen der Widerstand. Hier und jetzt gilt es darum, für einen radikalen Politik- und Systemwechsel zu kämpfen. Mit einer sozialistischen Politik, bei der der Mensch im Zentrum des Handelns steht. Für die Wirtschaft nicht bloßes Mittel zum Zwecke der Verwertung ist, sondern die Grundlage bildet für eine Gesellschaft, die sozial-ökologisch, solidarisch, demokratisch und friedlich organisiert ist. Mit dem Erfurter Programm von 2011 hat DIE LINKE eine Handlungsorientierung für diesen Wechsel vorgelegt.
Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Internationalismus und Solidarität gehören zu unseren grundlegenden Werten. Sie sind untrennbar mit Frieden, Bewahrung der Natur und Emanzipation verbunden. Wir kämpfen für einen Systemwechsel, weil der Kapitalismus, der auf Ungleichheit, Ausbeutung, Expansion und Konkurrenz beruht, mit diesen Zielen unvereinbar ist. Wir verfolgen ein konkretes Ziel: Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der kein Kind in Armut aufwachsen muss, in der alle Menschen selbstbestimmt in Frieden, Würde und sozialer Sicherheit leben und die gesellschaftlichen Verhältnisse demokratisch gestalten können. Um dies zu erreichen, brauchen wir ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem: den demokratischen Sozialismus.
Besonders diese programmatischen Positionen sind den wirtschaftlich und gesellschaftlich Herrschenden, ihren ProtagonistInnen in den etablierten Parteien sowie den maßgeblichen Medien ein Dorn im Auge. Sie dichten uns mangelnde Politikfähigkeit an und versuchen aus Entwicklungsproblemen einer in ihrer jetzigen Gestalt jungen Partei unser Scheitern zu machen. Wir werden in einem engagierten Wahlkampf unsere Politik- und Mobilisierungsfähigkeit unter Beweis stellen. Alle wissen: Die LINKE wirkt. Sie bestimmt seit Jahren die Themen, an denen sich die anderen abarbeiten und die sie verwässern wollen: Sicherheit der Renten und der Gesundheitsversorgung; Mindestlöhne und soziale Sicherungssysteme, die ihren Namen verdienen; Solidarität mit den Opfern der herrschenden Politik und den Ausgegrenzten; Innen- und Außenpolitik ohne Gewalt, Unterdrückung und Militarisierung und einen sozial gerechten ökologischen Umbau unseres Produktionssystems.
SPD und Grüne schreiben schamlos bei der LINKEN ab, um entschärfte und verwässerte Versionen als ihre angebliche Abkehr von der eigenen Regierungspolitik der vergangenen Jahre, von Hartz IV, Agenda 2010, Auslandseinsätzen der Bundeswehr und Bankenrettungen, darzustellen.
Wir wissen aber auch, dass die LINKE längst nicht genügend wirkt. Die LINKE als schlechtes Gewissen der anderen Parteien, als Korrekturfaktor der Sozialdemokratie – das sind nur Nebeneffekte. Der Zustand der Welt und die gegenwärtige Krise des Kapitalismus verlangen einen grundsätzlichen Politikwechsel, radikale Weichenstellungen für eine sichere und sozial gerechte Zukunft der Menschen. Das erfordert Mut und Bewegung, Opposition und schöpferische Initiative von Hunderttausenden von Menschen, die weit mehr sind als nur ein Kreuz in der Wahlkabine zu machen. Politischer Widerstand und Selbstermächtigung der Menschen müssen stärker werden – dafür steht die LINKE. Dafür stellt sie sich auch 2013 zur Wahl.
In diesem Land diktiert eine kleine Minderheit der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung die sozialen und kulturellen Lebensbedingungen. Im Mittelpunkt einer die Kapitalverwertungsbedingungen stetig optimierenden Politik, der sich alle anderen Parteien mal stillschweigend, mal laut fordernd verpflichtet fühlen, steht nicht der Mensch, sondern der Profit. Wer Hartz IV durchsetzt und verteidigt, auch, indem er sich nicht davon distanziert, wer laufende und zukünftige Kriege führt und legitimiert, und sei es mit der Behauptung, sie dienten Menschenrechten, wer die großen Banken mit dem Verweis auf ihre Systemrelevanz schützen will und somit deren Profite – wer das und anderes vertritt, was allein den Interessen einer Minderheit dient, steht gegen das Interesse der Mehrheit und gegen die allgemeine Wohlfahrt. DIE LINKE wird nicht zum politischen Establishment gezählt und will auch nicht dazugehören. Gerade deshalb stehen wir nicht allein gegen alle, sondern befinden uns als glaubwürdige Oppositionskraft im Einklang mit den wesentlichen Interessen der Bevölkerungsmehrheit.
Wir fordern: Die Menschen dürfen nicht mehr länger die Zeche für unvorstellbare Spekulationen im kapitalistischen Kasino zahlen. Die Finanzmafia muss grundsätzlich und strukturell zerschlagen werden; das Prinzip, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren, darf nicht länger eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit bleiben. Hartz IV und die Rente ab 67 müssen weg, eine Millionärssteuer muss her. Leiharbeit gehört verboten. Gesundheit darf keine Ware sein, Wohnungen kein Luxusgut. Bildungsschranken müssen eingerissen und nicht verfestigt werden. Mit dem Demokratieabbau muss Schluss sein. Deutsche Soldaten sind von überall her zurückzuholen, wo sie in imperialistische Kriegsabenteuer oder deren Vorbereitung involviert sind. Waffenexporte sind zu verbieten.
Von den in den Parlamenten vertretenen Parteien verteidigt nur DIE LINKE ernsthaft die noch verbliebenen sozialen Leistungen des Staates gegen wachsende Angriffe und fordert deren Ausbau. Nur wir stehen für eine Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Wohnungspolitik, deren Wesensmerkmal das Ringen um ein schon heute menschenwürdiges Leben ist. Wir wollen die seit Einführung der Hartz-Gesetze 2004/2005 besonders intensive Ausweitung des Niedriglohnsektors wieder rückgängig machen. Ein tariflich und rechtlich geschütztes, sozialversichertes Beschäftigungsverhältnis für alle, mit Löhnen, von denen man leben kann, muss wieder als Normalität eingeführt werden. Wir wollen das staatlich unterstützte, komplett parasitäre Agieren des Finanzkapitals schnellstmöglich stoppen.
Einem beträchtlichen Teil der Bürgerinnen und Bürger nimmt diese kapitalfreundliche Politik die Möglichkeit, einigermaßen gut zu leben. Der übergroßen Mehrheit raubt sie die Überzeugung, auch morgen noch sozial erträglich existieren und eine gesicherte Perspektive für Kinder und Enkel gewährleisten zu können. Nur relativ wenige sind es, die in der aktuellen Krisenstimmung nicht Angst vor sozialer Ausgrenzung und Armut haben müssen. Und immer mehr Menschen werden zu »Sozialfällen«, weil die Krise auf die ganze Gesellschaft durchschlägt. Gegen diese, das Gemeinwesen zerstörende Entwicklungen wollen wir entschiedenen Widerstand leisten. Wir wehren uns gegen ein von zunehmender Entsolidarisierung geprägtes Europa, in dem – nicht zuletzt durch die deutsche Bundesregierung – einzelnen Mitgliedsstaaten eine Politik der Lohnkürzungen und des rabiaten Sozialabbaus aufgezwungen wird. Wir werden einen Wahlkampf in enger Solidarität mit den Menschen in Griechenland, Zypern, Portugal, Italien, Irland führen und uns jeder nationalistischen Hetze gegen die Menschen dieser Länder entgegen stellen.
Die kapitalistische Wirtschaftsordnung gefährdet weltweit immer mehr Klima, Umwelt und die Energieversorgung der Zukunft. „Nach uns die Sintflut“ ist seit Anbeginn der Schlachtruf des nur auf den schnellen Gewinn orientierten Kapitalisten. SPD und vor allem die Grünen wollen weismachen, dass es einen Ausweg daraus in Form eines „grünen Kapitalismus“ gibt. Seit fast dreißig Jahren wird dieses Märchen erzählt und doch sprechen die Fakten Jahr für Jahr immer mehr die Wahrheit: Eine sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Politik ist nur mit einer radikalen Änderung der kapitalistischen Eigentums- und Machtverhältnisse zu erreichen. Nicht nur die LINKE, sondern alle UmweltexpertInnen und Einrichtungen rufen seit langem nach einer ökologischen Revolution. Nur die LINKE fordert einen schnellst möglichen Ausstieg aus Atom- und Kohleenergie, ohne dass die Mehrheit der Bevölkerung dafür zur Kasse gebeten wird. Die LINKE ist die wirklich grüne Partei in diesem Land.
Gerade in Anbetracht der sich täglich erweiternden Krise und der zunehmenden Gefahr für den Weltfrieden wächst die Anzahl der Menschen, die sich sozialen Verwerfungen ebenso ausgeliefert fühlen wie einer düsteren Perspektive. Gerade in Zeiten sozialer Polarisierungen wachsen die Chancen rechter DemagogInnen, vor allem jener, die scheinbar zur sogenannten Mitte der Gesellschaft zählen und die – elitär rassistisch – millionenfach ihre »Besorgnis« darüber verbreiten, dass Deutschland sich durch angebliche »Überfremdung« abschaffen könnte. Die soziale Situation ist – nicht ausschließlich, aber vor allen anderen sonstigen Ursachen – Nährboden für nationalistische und rassistische Stimmungen sowie soziale Ausgrenzung. Und diese Stimmungen setzen faschistische kriminelle Energie frei, wie die über zehn Jahre verübten Verbrechen der NSU-Mörderbande es grausam belegen.
Wir fühlen uns zur politischen Auseinandersetzung mit den damaligen wie heutigen Wurzeln des Faschismus verpflichtet. Wir widersetzen uns jeder Form des Antisemitismus, der Islamfeindlichkeit und des Antiziganismus. Im Sinne des Potsdamer Abkommens und gemäß Artikel 139 des Grundgesetzes fordern wir das Verbot der NPD mitsamt ihren Gliederungen, Neben- und Nachfolgeorganisationen sowie aller anderen Naziorganisationen. Im Wahlkampf verstärken wir unsere antifaschistischen und antirassistischen Aktivitäten. Die LINKE unterstützt die lokalen und regionalen Bündnisse gegen Nazis und RechtspopulistInnen. Nur eine breite politische Bewegung wird die rechte Ideologie aus den Köpfen vertreiben und den juristischen Mitteln erst Sinn geben.
Unsere Solidarität gehört Migrantinnen und Migranten, AsylbewerberInnen und Flüchtlingen, die nicht nur Nazis als Sündenböcke für verbrecherische Sozialpolitik dienen. Wo immer es möglich ist, decken wir die Zusammenhänge von Krise, Sozialchauvinismus und Rassismus auf. DIE LINKE wird sich im Wahlkampf und darüber hinaus gerade in dieser Frage prinzipiell vom Zeitgeist absetzen.
DIE LINKE will Menschen Mut machen, sich zu wehren. Betroffene werden im Wahlkampf zu Wort kommen und die Auswirkungen der sozialen Angriffe auf Menschen in ihrer Vielfalt sichtbar machen: Der durch Hartz IV Ausgegrenzte; die Arbeiterin bei Opel, die Angst vor Jobverlust hat; die ehemalige Verkäuferin bei Schlecker; die in Altersarmut lebende Rentnerin; der Migrant ohne Schulabschluss; die StudentIn mit Nebenjob, die Alleinerziehende, die keinen Kita-Platz findet; der Selbstständige, der sich mehr schlecht als recht von Projektauftrag zu Projektauftrag hangelt oder der WG-Bewohner in einer Großstadt, dem die Miete verdoppelt wurde. Wir werden aber auch die BewegungsaktivistInnen zu Wort kommen lassen, die sich aktuell der kapitalistischen Realpolitik widersetzen: Dem Mitstreiter der Anti-Atomkraftbewegung, den Streikenden in bedrohten Betrieben und in Kämpfen für Tarifverträge und höhere Löhne; der Aktivistin aus Anti-Nazi-Bündnissen oder den Vertretern der Bewegung für mehr demokratische Rechte und gegen den Überwachungsstaat. Nur wenn mehr Menschen spüren, dass sie nicht allein sind und eine Perspektive für Widerstand erkennen, werden auch außerparlamentarische Aktivitäten zunehmen und erfolgreicher sein. Nicht nur eine starke, linke Fraktion im Parlament, sondern vor allem auch Widerstand auf der Straße und in den Betrieben, ist die unerlässliche Voraussetzung dafür, dass dieses Land sozialer und friedlicher wird.
Im Sinne unseres Parteiprogramms bekräftigen wir, dass Veränderung mit Opposition beginnt und unser verstärktes Engagement in außerparlamentarischen Bewegungen erfordert. Wir werden einen Wahlkampf führen, der vielen Menschen Identifikationsmöglichkeiten bietet. Wir wollen sowohl durch unsere Inhalte als auch durch unser Auftreten ausstrahlen, dass es sich lohnt, zu kämpfen und dass wir gemeinsam stark sein können.