Gemeinsam mit der Balkan-Linken für eine Neugründung der EU

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Persönliche Erklärung zur Bundestags-Abstimmung über den EU-Beitritt Kroatiens. Von Inge Höger

Heute werde ich für den EU-Beitritt Kroatiens stimmen.

Dennoch gebe ich zu bedenken, dass die EU-Mitgliedschaft eine schlechte Nachricht für die dortige Bevölkerung ist. Wie jeder andere Beitrittskandidat musste auch Kroatien den gesamten „gemeinschaftlichen Besitzstand“ (acquis communautaire) der EU in sein eigenes Rechtssystem übernehmen. Dazu gehören Deregulierung der Wirtschaft, Privatisierungen und der Abbau des öffentlichen Dienstes. Der EU-Beitritt bedeutet für die Masse der Bevölkerung Kroatiens mehr Wettbewerb und mehr Armut.

Ich stand im Vorfeld des kroatischen Referendums zum EU-Beitritt auf der Seite der linken EU-Gegner, die zu Recht fürchten, Kroatien könnte in eine ähnliche Notlage wie Griechenland geraten. Ich respektiere allerdings den Ausgang des Referendums und stimme deshalb heute mit ja. Ein anderes Stimmverhalten wäre Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die Abstimmung als Druckmittel für eine noch brutalere neoliberale Politik Kroatiens nutzen wollen. Ich finde es einen Skandal, dass die EU-Kommission von der kroatischen Regierung erwartet, noch bis zum Beitrittsdatum 1. Juli 2013 ihre Schiffswerften zu privatisieren. Das Verscherbeln öffentlichen Eigentums steht im Widerspruch zu einer sozialen, humanen Entwicklung und dient allein dem Interesse privater Großunternehmer.

Ich finde es zwar bedauerlich, dass sich beim Referendum eine Mehrheit für den EU-Beitritt Kroatiens gefunden hat. Allerdings ist es in Teilen verständlich, dass sich die Bevölkerung nach den Vorteilen der Reisefreiheit sehnt, die in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien Normalität war. Eine Reisefreiheit freilich, von der aufgrund der heute voranschreitenden Verarmung immer weniger Menschen in Kroatien Gebrauch machen können.

In den Tagen, in denen die Abstimmung im Deutschen Bundestag stattfindet, versammeln sich hunderte Aktivistinnen und Aktivisten in Zagreb zum Balkan-Forum im Rahmen des „Subversive Film Festivals“. Sie gehören zu sozialen Bewegungen und linken Gruppen aus allen Balkan-Ländern und versuchen, ein linkes Netzwerk über ethnische und nationale Grenzen hinweg aufzubauen. Sie wollen nicht zwischen der „euro-atlantischen Integration“ einerseits und dem grassierenden Ethno-Nationalismus andererseits wählen. Es handelt sich hier um Scheinalternativen, um zwei Seiten einer Medaille, des neoliberalen Kapitalismus. DIE LINKE unterstützt den Prozess des Balkan-Forums. Ein weiterer Grund zur Hoffnung ist der Achtungserfolg, den die Kroatische Arbeiterpartei (laburisti) bei den Europawahlen in April errungen hat.

Ich freue mich darauf, gemeinsam mit der kroatischen Linken, gemeinsam mit der Linken der gesamten Balkan-Region für die Komplettrevision der europäischen Vertrage und für eine solidarische Neugründung der Europäischen Union zu kämpfen.

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