Das Komitee in Oslo hat sich in den Dienst des europäischen Imperialismus gestellt und damit den Friedensnobelpreis entwertet. Vom Bundesarbeitskreis Antimilitarismus und Frieden von Linksjugend [’solid] und DieLinke.SDS
Die Wirklichkeit 2012 nähert sich immer weiter George Orwells beängstigender Dystopie 1984 an. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU verkehrt die Lüge zur Wahrheit, die Imperialisten zum Wohltäter und den Krieg zum Frieden.
Kaum ein politisch-ökonomisches Projekt ist seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation von einer derartig aggressiven, gewalttätigen, ausbeuterischen, militärischen und letztlich auch kriegerischen Entwicklungslogik geprägt gewesen wie eben jene EU. Sie wird nur noch von der NATO übertroffen, deren politischer Kopf – der US-Präsident Barack Obama – schon im Jahr 2009 denselben Preis erhielt.
Mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU folgt das norwegische Komitee der Propaganda des Staatenbündnisses auf ganzer Linie, der zufolge die EU ein „Raum des Wohlstands und des Friedens“ sein soll. Gleichzeitig unterschlägt und banalisiert es damit die Realität imperialistischer Kriegsführung wie etwa am Horn von Afrika, den hohen Anteil der EU-Mitgliedsstaaten an der globalen Rüstungsproduktion und am Verkauf von Militärinventar (u.a. an menschenrechtlich zweifelhafte Regimes wie Saudi-Arabien oder Israel), die Umwandlung der EU durch den Vertrag von Lissabon in eine Militärunion mit rechtlicher Selbstverpflichtung zur Steigerung der Rüstungsproduktion und dem Recht, in Mitgliedsstaaten militärisch zu intervenieren. Die führenden Staaten in der EU haben erheblich zur ökonomischen und politischen Destabilisierung und zur Eskalation diverser Konflikte z.B. auf dem Balkan, in Somalia oder der Elfenbeinküste beigetragen. Schließlich „schützt“ die EU ihre Außengrenzen mit Hilfe von Frontex vor Flüchtlingen, die auf Grund der genannten Konflikte aus Ihrer Heimat verdrängt werden.
Ihre Außenpolitik hat keineswegs Frieden gebracht, sondern ganze Gesellschaften zerstört und neue Kriege entfesselt. Doch all dies spielte offensichtlich keine Rolle bei der Auswahl der diesjährigen Preisträgerin.
Das Nobelpreiskomitee tut den herrschenden Klassen im Euro-Land letztlich den Gefallen, einem von der Krise der kapitalistischen Produktionsweise geschüttelten und politisch in Misskredit geratenen Projekt, einen möglichen Ausweg aus ihrer Hegemoniekrise zu bereiten. Kaum ein Symbol hat staatenübergreifend in der Bevölkerung eine solche identitäts- und sinnstiftende Kraft wie der Friedensnobelpreis.
Die Sprecherin des Bundesarbeitskreises Antimilitarismus und Frieden (BAK AuF) von Linksjugend [’solid] und DieLinke.SDS, Christin Bernhold, kommentiert die Preisverleihung: „Es grenzt an Sarkasmus, dass die EU für ihre imperialistische Kriegspolitik auch noch belohnt und der Krieg einmal mehr mit den höchsten Ehren dekoriert wird.“ Anne Geschonneck, ebenfalls Sprecherin des BAK AuF, ergänzt: „Das Komitee in Oslo hat sich in den Dienst des europäischen Imperialismus gestellt und damit den Friedensnobelpreis entwertet. Der Kampf gegen den deutschen Faschismus (Carl von Ossietzky), gegen die Apartheid in Südafrika (Nelson Mandela) und für die Versöhnung im Nahen Osten (Jitzchak Rabin und Yassir Arafat) steht jetzt in einer Reihe mit Militäreinsätzen im Kongo, am Horn von Afrika und mit der Invasion in Afghanistan.“