Beschluss des Bundessprecher*innenrats der Antikapitalistischen Linken (AKL) am 2.Juni nach Diskussion im AKL-Länderrat am 24.Mai 2020
Krise des Gesundheitswesens mit Personalmangel, Arbeitsdruck und niedrigen Löhnen bestand schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Corona hat die Krise sichtbarer gemacht und verschärft. Angesichts der SARS-Cov2-Pandemie und der Tatsache, dass sich laut RKI bis 18.5.2020 20.400 Beschäftigte von Kranken- und Pflegeeinrichtungen mit dem Virus infiziert und bereits 61 Beschäftige aus diesen Bereichen gestorben sind, schlägt die AKL vor, die seit geraumer Zeit laufende Pflegekampagne zu einem Hauptschwerpunkt der Aktivitäten der Partei auf allen Ebenen zu machen.
Die Pandemie hat die Missstände im Gesundheitswesen genauso offengelegt, wie sie die gesellschaftliche Bedeutung desselben und der Tätigkeit aller Beschäftigten für alle deutlich gemacht hat. Das bedeutet aus unserer Sicht, dass DIE LINKE ihre begonnen Aktivitäten fortsetzen und verstärken sollte, die Krankenhausbeschäftigten dabei zu unterstützen, in die Offensive zu kommen und sich Mitglieder der Partei innerhalb der Gewerkschaft ver.di für eine kämpferische Strategie zur Durchsetzung der Forderungen einsetzen sollten. Es bedeutet aber auch, dass DIE LINKE ihre eigenen sozialistischen Forderungen betonen, die Eigentums- und Systemfrage am Beispiel des Gesundheitswesens erklären und beantworten und mit Bündnispartner*innen (Kolleg*innen, ver.di, Krankenhaus statt Fabrik, Pflegebündnissen) eine Strategie zur Durchsetzung erarbeiten sollte. Die Pflegekampagne sollte eine beispielhafte Kampagne für einen sozialistischen Systemwechsel werden.
DIE LINKE stellt derzeit eine Lohnerhöhung von 500 Euro für Pflegekräfte, eine bedarfsgerechte Personalbemessung und jeweils 100.000 Pflegekräfte mehr in Krankenhaus und Altenpflege in den Mittelpunkt ihres Programms, siehe hier: https://www.pflegenotstand-stoppen.de/start/. Darüber hinaus unterstützt sie u.a. die Abschaffung der Fallkostenpauschalen und spricht sich für ein Verbot von Profiten im Krankenhaus aus und unterstützt diesbezüglich die Forderungen des Bündnisses Krankenhaus statt Fabrik: https://www.die-linke.de/partei/parteistruktur/parteivorstand/2018-2020/beschluesse/detail/news/unterstuetzung-fuer-den-aufruf-des-buendnisses-krankenhaus-statt-fabrik/
In anderen Materialien spricht sie sich dafür aus, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in öffentliche Hand überführt werden: https://www.die-linke.de/fileadmin/download/themen/Gesundheit_und_Pflege/AdPg-2020.7-Gesundheitssystem.pdf
All das unterstützen wir. Darüber hinaus schlagen wir vor, dass folgende Forderungen in den Forderungskatalog der Kampagne aufgenommen werden oder stärker in den Vordergrund gestellt werden:
Bezüglich der akuten Pandemie-Situation:
– DIE LINKE fordert bereits ausreichend qualitativ hochwertige Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel – sofort und nicht erst in einigen Monaten. Wir meinen: Notfalls müssen Betriebe, die Schutzausrüstungen produzieren können, sofort verstaatlicht werden und die Produktion umgestellt werden. Von niemand kann verlangt werden, dass er ungeschützt arbeitet.
– Regelmäßige Tests (mindestens einmal wöchentlich) aller Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen
– Keine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf 12 Stunden bzw. 60 Stunden in der Woche
– Sechs-Stunden-Schicht und 30 Stunden-Woche für alle bei vollem Lohn- und Personalausgleich
– Wer ungeschützt Kontakt zu Infizierten hatte, muss sofort getestet werden und bis zum Vorliegen des Testergebnisses bzw. zwei Wochen in Quarantäne
– Für die Einrichtung von Krisenstäben in allen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bestehend aus Vertreter*innen der Belegschaft, ver.di und den Leitungen der Einrichtungen. Vertreter*innen der Beschäftigten und Gewerkschaften müssen eine Mehrheit in diesen Krisenstäben haben und mit einem Vetorecht ausgestattet sein.
– Insourcing der outgesourcten Servicebereiche: ein Krankenhaus – eine Belegschaft! Rücknahme aller (Teil-)Privatisierungen – Gleiche tarifliche Standards und Bedingungen für alle, mindestens TVöD für Alle. Verkleinerung der Reinigungsflächen pro Reinigungskraft
– 500 Euro mehr für alle Pflegekräfte und 500 Euro Corona-Zuschlag während der Pandemie und Kampf für eine weitere Anhebung der Gehälter mit einem Einstiegsgehalt von 4.000 Euro für eine Pflegefachkraft und eine qualitative Anhebung des Mindestlohns für Pflegehilfskräfte, den die Regierung erstmal nur auf 10,85 Euro anheben will.
– Starke Lohnzuwächse für alle Beschäftigten von der Reinigungskraft bis zum Assistenzarzt
– Beschäftigte, die sich bei der Arbeit im Krankenhaus, in einer Pflegeeinrichtung oder im Sanitätsdienst durch eine Covid-19-Erkrankung geschädigt wurden, erhalten eine dauerhafte monatliche Entschädigung. Im Todesfall erhalten Hinterbliebene eine Entschädigung
– Auf der Grundlage von weit höherer Bezahlung und der Einführung von bedarfsgerechten Personalschlüsseln wird eine Kampagne gestartet zur Rückgewinnung der ca. 120.000 bis 200.000 Rückkehrwilligen („Hartmann#PflegeComeBackStudie vom November 2018), die aus dem Pflegeberuf ausgestiegen sind. Die Abwerbekampagne von Pflegepersonal aus anderen Ländern muss sofort gestoppt werden. In den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen müssen – wie DIE LINKE es bereits fordert – je 100.000 Pflegekräfte mehr beschäftigt werden.
– DIE LINKE fordert die sofortige Abschaffung der Fallkostenpauschalen. Wir meinen, dass diese Forderung viel stärker als bisher in den Mittelpunkt der strategischen Überlegungen der Partei und des Forderungskatalogs gestellt werden muss. Es gibt jetzt ein Zeitfenster, diese Forderung an der Seite der Beschäftigten zu erkämpfen. Bei der Einführung einer bedarfsgerechten Finanzierung und dem Verbot von Gewinnen (wie es bis Mitte der 1980er Jahre in Westdeutschland bestand) muss die volle Refinanzierung aller Kosten ohne Erhöhung der Krankenkassenbeiträge für die abhängig Beschäftigten gewährleistet sein
– Für eine Diskussion in ver.di für einen Kampf um einen einjährigen allgemeinverbindlichen „Corona-Tarifvertrag“, der die Forderungen der Krankenhausbeschäftigten, wie sie in verschiedenen offenen Briefen und Erklärungen formuliert wurden, erfüllt.
Grundsätzlich:
- Stopp aller Schließungen von Krankenhäusern und Wiederinbetriebnahme von geschlossenen aber noch vorhandenen Krankenhäusern nach bedarfsgerechter Planung auch für Pandemiezeiten.
– DIE LINKE fordert, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in öffentliches Eigentum überführt werden. Das unterstützen wir. Wir setzen uns dafür ein, diese Forderung viel stärker als bisher in der Kampagne in den Mittelpunkt zu rücken.
– Überführung der Pharmaindustrie in öffentliches Eigentum bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung von Beschäftigten, Wissenschaftler*innen, Gewerkschaften und des Staates.
– Forschung raus aus Unternehmerhand! Forschungseinrichtungen in öffentliches Eigentum und Veröffentlichung aller Forschungsergebnisse zur Kooperation statt Konkurrenz.
Wir schlagen außerdem vor, dass alle Kreisverbände aufgerufen werden, Beschäftigte in diesem Bereich, die Parteimitglieder sind, zusammenzubringen und unsere Tätigkeit innerhalb von ver.di und den Pflegebündnissen zu koordinieren, in den Kreisverbänden selbst, bei Stammtischen, im Rahmen der BAG Betrieb und Gewerkschaft oder der BAG Gesundheit und Soziales.
Wir halten an dem Parteivorstandbeschluss aus dem Januar 2020 fest zur Durchführung einer Aktivenkonferenz für Gewerkschafter*innen, Aktive aus Pflegebündnissen und Parteimitglieder. Sollte das aufgrund von Einschränkungen des Versammlungsrechts nicht auf bundesweiter Ebene möglich sein, sollen solche Konferenzen regional oder als Videokonferenz stattfinden.
Gleichzeitig sollte die Partei konkrete Schritte unternehmen, um den Protest auf die Straße zu tragen. Die erste Gelegenheit dazu wird der Aufruf von „Keine Profite mit unserer Gesundheit“ und anderen aus Anlass der ursprünglich am 17./18.6.2020 geplanten Gesundheitsministerkonferenz sein, siehe auch https://gesundheitohneprofite.noblogs.org/. Wir schlagen vor, dazu einen bundesweiten Aktionstag der Partei auszurufen und an dem Tag Aktionen oder kleine Kundgebungen vor Krankenhäusern oder in Innenstädten durchzuführen.
Wir fordern die Bundestagsfraktion auf, entsprechende Anträge in den Bundestag einzubringen. Die Landesregierungen, denen die Partei angehört, sind in der Pflicht, zentrale Punkte wie beispielsweise deutliche Lohnerhöhungen in öffentlichen Einrichtungen, TVöD für Alle etc umzusetzen und die Volksentscheide für mehr Personal in den Krankenhäusern endlich zuzulassen oder die Forderungen direkt umzusetzen.
Vor allem aber müssen wir uns jetzt auf die Angriffe vorbereiten, die im Zuge der Wirtschaftskrise auf die Arbeiter*innenklasse und sozial Benachteiligte zukommen. Deshalb fordern wir die Parteiführung auf, die Initiative zu einer bundesweiten Großdemonstration im Herbst 2020 (oder regionalen Demos) unter dem Arbeitstitel „Die Krise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten und Erwerbslosen abwälzen – Die Reichen sollen zahlen“ unter Einhaltung des Infektionsschutzes zu ergreifen, in der die Forderungen der Beschäftigten im Pflege- und Gesundheitswesen eine zentrale Rolle spielen sollen, die aber auch einen ersten Mobilisierungspunkt für alle Teile der Arbeiter*innenklasse und sozial benachteiligter Schichten darstellen soll, die sich gegen das Abladen der Krisenkosten auf die Masse der Bevölkerung zur Wehr setzen wollen.
Die AKL-Mitglieder im Parteivorstand werden entsprechende Anträge in das Gremium einzubringen.