EU stellt die Weichen auf Krieg und Sozialabbau

Print Friendly, PDF & Email

Özlem Alev Demirel

Artikel aus der „aufmüpfig“ Herbst 2023

Von der einst viel beschworenen „Zivilmacht Europa“ war bereits vor Beginn des Ukraine-Krieges nichts mehr übrig. Seither hat das Tempo, mit dem sich die Union in Richtung einer Militärunion bewegt, aber noch einmal in Besorgnis erregendem Ausmaß zugenommen. Die Europäische Union und hier vor allem die beiden Führungsmächte Deutschland und Frankreich versuchen sich im Kampf um Rohstoffe, Absatzmärkte und generell im immer schärfer ausgefochtenen Konkurrenzkampf der Großmächte militärisch in Stellung zu bringen. Um sich in dieser Situation zu behaupten, müsse sich die Union als einen „geostrategischen Akteur der obersten Kategorie begreifen“ und die „Sprache der Macht neu erlernen.“, meint EU-Außenbeauftragter Josep Borrell 20201.

Rüstungstöpfe erste Welle: CARD – PESCO – EVF

Spätestens seit 1999 ist es mit der „Zivilmacht Europa“ vorbei. Es wurde entschieden, eine EU-Eingreiftruppe aufzubauen – erste Militäreinsätze im Rahmen der sogenannten „Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ (GSVP) folgten ab 2003. Anschließend verlief der weitere Prozess aus Sicht der Befürworter einer Militärmacht Europa äußerst zäh, weil nahezu alle Initiativen von Großbritannien blockiert wurden. Das änderte sich nach dem britischen Austrittsreferendum im Juni 2016 – von da ab ging es Schlag auf Schlag.

Zunächst waren es vor allem drei Instrumente, mit denen seither die Aufrüstung der EU forciert wird. Da wäre einmal die „Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung“ (engl. CARD). Sie verpflichtet die Mitgliedsstaaten zwar nicht formal, aber durch die enge Verknüpfung mit einem weiteren neuen Instrument (PESCO) de facto darauf, umfassend Rechenschaft über ihre aktuellen und geplanten Verteidigungsausgaben, Investitionen und Forschungsanstrengungen abzulegen. Gleichzeitig ist es die Aufgabe von CARD, mögliche länderübergreifende Militärkooperationsprojekte zu identifizieren, die für die Schließung vorhandener Fähigkeitslücken als besonders geeignet erachtet werden.

Umgesetzt werden derlei Projekte inzwischen vor allem im Rahmen der „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (engl. PESCO). Auf die wesentlichen PESCO-Prozeduren hatten sich Deutschland und Frankreich bereits auf ihrem Ministerratstreffen im Juli 2017 geeinigt – danach holten sie Italien und Spanien mit ins Boot, wodurch die erforderliche Mehrheit zur schlussendlich im Dezember 2017 erfolgten PESCO-Aktivierung faktisch gesichert war. Obwohl eine Teilnahme an die Einhaltung von 20 Kriterien gebunden ist, u.a. die ständige Erhöhung des Verteidigungshaushaltes oder die Teilnahme an im CARD-Prozess als strategisch eingestuften Rüstungsprojekten, entschieden sich schlussendlich 25 der damals 28 EU-Staaten zu einem PESCO-Beitritt (Dänemark stieß später noch hinzu). Mittlerweile werden im PESCO-Rahmen rund 60 Projekte verfolgt, darunter auch „Hochkaräter“ wie den Bau einer bewaffneten Eurodrohne (MALE RPAS).

Die PESCO-Teilnahme ist allein deshalb von Bedeutung, weil in diesem Rahmen aufgelegte Projekte bevorzugt und mit einem höheren Zuschuss (zu 30 Prozent statt ansonsten 20 Prozent) aus dem „Europäischen Verteidigungsfonds“ (EVF) finanziert werden können. Aus dem EVF stehen im aktuellen EU-Haushalt von 2021 bis 2027 knapp 8 Mrd. Euro für die Erforschung und Entwicklung länderübergreifender EU-Rüstungsprojekte zur Verfügung. Aus diesem Grund wurde die Ausschüttung dieser Gelder explizit an die Bedingung geknüpft, dass die europäische rüstungsindustrielle Basis davon profitieren muss.

Die Einrichtung des EVF war ein Coup: Schließlich ist die Verwendung von EU-Haushaltsgeldern für militärische Maßnahmen laut Artikel 41(2) des EU-Vertrages untersagt. Dies wird dadurch umgangen, dass die Kommission kurzerhand behauptet, es handele sich hier um Maßnahmen zur Industrieförderung, was rechtlich allerdings mehr als fraglich ist, wie auch das bereits 2018 im Auftrag der Linksfraktion im Europaparlament durch den Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano erstellte „Rechtsgutachten zur Illegalität des Europäischen Verteidigungsfonds“2 ergab. Er sehe „keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds“, so Fischer-Lescanos vernichtendes Urteil. Was sich hier abspiele, sei eine „Militarisierung der EU auf den Trümmern des Rechts.“

Seit Jahren wurde darauf hingearbeitet, hier zu einem neuen Rechtsverständnis zu kommen, Kommission, Politik und Rüstungsindustrie arbeiteten dabei Hand in Hand. Denn wichtige Vorarbeiten für den späteren Europäischen Verteidigungsfonds leistete bereits eine im Juli 2015 auf Einladung der damaligen EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska zusammengesetzte 16köpfige „hochrangige Gruppe“3 mit Vertreter*innen aus Industrie und Politik. Insofern ist es wenig überraschend, dass es gerade an dieser Gruppe beteiligte Unternehmen sind, die überproportional von den EU-Geldern profitieren. Gleichzeitig handelt es sich dabei auch um Unternehmen aus den größten Mitgliedsstaaten, wodurch Konzentrationsprozesse weiter befördert werden.

Rüstungstöpfe zweite Welle: EFF – ASAP – EDIRPA

Mit CARD, PESCO und EVF waren EU-Strukturen zur Identifizierung und Umsetzung länderübergreifender Projekte geschaffen, die nun in ihren Forschungs- und Entwicklungsphasen wie beschrieben über den EVF querfinanziert werden können. Was lange fehlte, war die Möglichkeit, länderübergreifende Rüstungskäufe direkt mit EU-Geldern zu subventionieren. Doch auch dies hat sich inzwischen geändert.

Ein wichtiges Instrument hierfür ist die im März 2021 ins Leben gerufene „Europäische Friedensfazilität“ (EFF). Als haushaltsexternes Finanzinstrument ist sie nicht Teil des EU-Budgets, was es erleichtert, sie für den gedachten Zweck einzusetzen: Die Finanzierung von EU-Militäreinsätzen sowie von Waffenlieferungen an „befreundete“ Akteure. Hierfür wurden zunächst 5,7 Mrd. Euro für den Zeitraum zwischen 2021 und 2027 ausgelobt – nachdem sich die EFF aber schnell zum zentralen Finanzierungsinstrument für Waffenlieferungen an die Ukraine entwickelte, mussten Gelder zugeschossen werden, zuletzt wurde der Betrag im Juni 2023 auf rund 12 Mrd. Euro angehoben.

Bis Mitte 2023 wurden 5,6 Mrd. Euro von der EFF allein für Waffenlieferungen an die Ukraine bezahlt. Mit diesem Geld werden auch gemeinsame Munitionskäufe finanziert: Am 20. März 2023 kündigte der EU-Rat einen dreistufigen Plan zur Lieferung, Beschaffung und Produktion von Munition an. Er besteht aus der Ko-Finanzierung von Munitionslieferungen der Mitgliedsstaaten an die Ukraine (Stufe 1), der Bezuschussung länderübergreifender Munitionseinkäufe (Stufe 2) sowie aus einem Maßnahmenpaket zur Ankurbelung der europäischen Munitionsproduktion (Stufe 3). Für Stufe eins ist eine EFF-Milliarde vorgesehen, Stufe 2 soll ebenfalls eine Milliarde aus demselben Topf erhalten. Was sich hier womöglich relativ harmlos anhört, ist ein weiterer enormer Schritt: Der direkte Einstieg in den Ankauf von Rüstungsgütern – sofern dies eben länderübergreifend und zur Stärkung der Rüstungsbasis erfolgt.

Allerdings geht Stufe drei noch einmal einen gehörigen Schritt darüber hinaus: Am 3. Mai 2023 wurde die „Verordnung des Europäischen Parlamentes und des Rates zur Förderung der Munitionsproduktion“4 (engl. ASAP) vorgelegt. Mit insgesamt 1 Mrd. Euro, 500 Mio. aus dem EU-Haushalt und ebenso viel von den Mitgliedsstaaten, sollen schlussendlich im Juli 2023 beschlossene Maßnahmen wie die „Optimierung, Modernisierung, Verbesserung oder Umwidmung vorhandener oder die Schaffung neuer Produktionskapazitäten in diesem Bereich [Munitionsproduktion] sowie die Schulung von Personal“ unterstützt werden.

Schon länger fordern namhafte Politiker – zum Beispiel der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, oder der Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber – die Umstellung auf eine Kriegswirtschaft. Sicher ist die EU davon noch ein gutes Stück entfernt, gerade mit dem ASAP-Plan werden aber wichtige erste Versatzstücke vorgeschlagen, die deutlich in diese Richtung weisen. Als „beispiellos“ bejubelte jedenfalls Industriekommissar Thierry Breton das Maßnahmenpaket: „Um die Ukraine kurzfristig zu unterstützen, müssen wir weiterhin aus unseren Beständen liefern. Aber wir müssen auch die derzeitige Produktion neu priorisieren und sie vorrangig in die Ukraine leiten. […] Aber wenn es um die Verteidigung geht, muss unsere Industrie jetzt in den Kriegswirtschaftsmodus wechseln.“5

Was die finanzierbare Rüstungspalette anbelangt, soll das „Instrument zur Stärkung der Europäischen Verteidigungsindustrie durch Gemeinsame Beschaffung“6 (engl. EDIRPA) über die Beschränkung auf Munition hinausgehen. Vorgeschlagen wurde das Instrument bereits im Juli 2022, beschlossen wurde es endgültig aber erst im September 2023, unter anderem, weil der Unterausschuss Sicherheit & Verteidigung des Europäischen Parlaments (engl. SEDE) auf die Zuständigkeit pochte. Weil die Kommission hier allerdings denselben Trick wie schon beim Verteidigungsfonds anwendete, indem sie EDIRPA zu einer industriefördernden Maßnahme erklärte, musste die Federführung unbedingt an den Industrieausschuss (engl. ITRE) gehen, um rechtlich auf „sicherem“ Boden zu stehen. Über die 300 Mio. Euro des EDIRPA-Topfes soll künftig über Munition hinaus auch die länderübergreifende Anschaffung anderer Rüstungsgüter bezuschusst werden. „EDIRPA ist bahnbrechend, da erstmals Mittel aus dem regulären EU-Haushalt für die gemeinsame militärische Beschaffung bereitgestellt werden“, freuten sich Nicole König und Leonard Schütte am 28. August 2023 in der „Internationalen Politik“, um dann allerdings einschränkend hinzuzufügen: „Doch angesichts des gewaltigen Investitionsbedarfs ist das Budget tatsächlich unbedeutend.“7

Rüstungstöpfe künftige Welle: EDIP – EDAP

In der Tat ist die Bedeutung von EDIRPA qualitativer Natur, indem nun auch der Weg für EU-Rüstungsankäufe geebnet wurde – es soll außerdem als Türöffner und Brücke zu einem weiteren Instrument dienen, mit dem dies künftig noch einmal weit systematischer betrieben werden soll. Gemeint ist das Programm für europäische Verteidigungsinvestitionen“ (engl. EDIP), mit dem künftig „Konsortien für Verteidigungsfähigkeiten“ (engl. EDCC) gebildet werden können. Sie sollen unter anderem den „Vorteil“ genießen, beim Einkauf von Rüstungsgütern von der Mehrwertsteuer befreit zu werden. In der entsprechenden Kommissionsmitteilung „Analyse der Defizite bei den Verteidigungsinvestitionen und die nächsten Schritte“8 vom Mai 2022 lässt sich nachlesen: „Mit [EDIP] sollen die Bedingungen und Kriterien festgelegt werden, unter denen die Mitgliedstaaten Konsortien bilden können, die als Europäisches Konsortium für Verteidigungsfähigkeiten (EDCC) gelten; solche Konsortien beschaffen gemeinsam Verteidigungsfähigkeiten zur Nutzung durch die beteiligten Mitgliedstaaten, die in der EU in Zusammenarbeit entwickelt werden und für eine Mehrwertsteuerbefreiung infrage kommen. […] Die Mehrwertsteuerbefreiung würde auch für den Betrieb, die Wartung und die Stilllegung gelten, die während des gesamten Lebenszyklus von Verteidigungsgütern mit erheblichen Kosten verbunden sind. […] Die EDIP-Verordnung könnte als Dreh- und Angelpunkt für künftige gemeinsame Entwicklungs- und Beschaffungsprojekte von hohem gemeinsamen Interesse […] dienen, insbesondere bei Projekten, die kein Mitgliedstaat allein entwickeln oder beschaffen könnte.“

Darüber hinaus berichtete am 4. September 20239 das EU-Nachrichtenportal euractiv, die Kommission plane ein weiteres „EU-Kriegswirtschaftsgesetz“ („European Defence Production Act“, EDPA). Es soll augenscheinlich ASAP dahingehend ergänzen, dass es die Möglichkeit zur Unterstützung der Rüstungsproduktion auf alle denkbaren Waffenarten ausweiten soll. Es solle ein „ständiger Mechanismus sein, der darauf abzielt, den gesamten Prozess der Verteidigungsproduktion im Falle eines dringenden Bedarfs zu beschleunigen.“ Euractiv zitiert dazu nicht näher genannte Kommissionskreise: „Wir brauchen ein Programm, um die Unterstützung für die europäische Industrie zu konsolidieren und zu erweitern, aber auch, um möglicherweise einen regulatorischen Rahmen zu schaffen, der aktiviert werden kann, um die Verteidigungsproduktion bei Bedarf zu unterstützen – eine Art europäisches Kriegswirtschaftsgesetz.“

Sozialabbau und Militarisierung

Auch wenn viele Details noch unklar sind, klar ist: Nachdem das Verbot, Militärausgaben aus dem EU-Haushalt zu bestreiten, mit dem Verteidigungsfonds endgültig ausgehebelt wurde, könnten die in diesem Bereich ausgelobten Summen rasch enorme Dimensionen annehmen.

Unter anderem, um diese Fonds zu füllen, sollen die Militärhaushalte der EU-Staaten massiv ansteigen: Beim NATO-Gipfel in Vilnius sprachen sich alle Allianzmitglieder, also auch diejenigen, die EU-Mitglieder sind, im Juli 2023 dafür aus, künftig 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) als Mindestgrenze der Militärausgaben festzulegen. Zwar handelt es sich dabei um keine rechtliche Verpflichtung, sie wird aber dennoch erhebliche politische Bindewirkung haben.

Bei Umsetzung bedeutet das Mehrausgaben in dreistelliger Milliardenhöhe: Die aktuellsten Angaben der Europäischen Verteidigungsagentur weisen für 2021 EU-Militärausgaben von 221 Mrd. Euro oder 1,5% des BIP aus (2014 waren es noch 147 Mrd. Euro). Im Jahr 2022 lag das BIP bei 15.840 Mrd. Euro, die aktuelle EU-Wirtschaftsprognose geht für dieses Jahr von einem Wachstum um 0,8 und im nächsten um 1,4 Prozent aus. Um 2024 das anvisierte 2%-Ausgabenziel zu erreichen, müssten die EU-Militärbudgets also auf rund 320 Mrd. Euro angehoben werden, allein Spanien müsste seine Ausgaben um etwa 11 Mrd. Euro erhöhen, Italien ebenso. Woher diese Länder das Geld angesichts ihrer Haushaltslage nehmen sollen, bleibt die NATO natürlich schuldig, es ist aber klar: Es wird noch weiter bei den Sozialausgaben gespart werden müssen.

In Deutschland klopft sich die Regierung derweil auf die Schulter, im kommenden Jahr besagte zwei Prozent des BIP zu erreichen – dies gelingt allerdings nur durch 19,2 Mrd. Euro aus dem „Sondervermögen“ der Bundeswehr, Gelder, die in Wahrheit nichts anderes als Schulden sind. Spätestens 2027 wird dieser Topf aber leer sein und im Vergleich zur bisherigen Finanzplanung würde eine Lücke von rund 30 bis 35 Mrd. Euro entstehen, um die der offizielle Militärhaushalt erhöht werden müsste, um das 2%-Ausgabenziel nicht zu reißen. Das wäre nur durch einen Sozialkahlschlag sondergleichen möglich, für den jetzt schon von interessierten Kreisen geworben wird. Die Absage an Militarisierung und Sozialabbau wird deshalb eine Forderung sein, die in künftigen Wahlkämpfen der Linken eine entscheidende Rolle spielen muss.

Eine starke Friedensbewegung in einer Welt des robusten Machtkampfes

Wichtig bleibt dabei auch festzuhalten, dass diese Milliarden für Aufrüstung nicht nur für soziale Projekte und Infrastrukturausgaben fehlen, sondern auch die Welt nicht sicherer machen werden. Der Krieg in der Ukraine geht einher mit geopolitischen Verschiebungen. Robuster werden die Auseinandersetzungen der unterschiedlichen ökonomischen und politischen Mächte in der Welt geführt. Bereits am 15. September 202110 (also vor dem Ukraine Krieg) erklärte Kommissionspräsidenten Von der Leyen, die Welt trete „in eine neue Ära verstärkter Konkurrenz ein“, man befinde sich in einer „Ära regionaler Rivalitäten und großer Mächte, die ihr Verhältnis zueinander neu austarieren.“ Um hier bestehen zu können, brauche es eine „Europäische Verteidigungsunion“, so von der Leyens Forderung. Dazu gehören aus ihrer Sicht nicht nur europäische Interventionskräfte, sondern vor allem auch der „politische Wille“, diese auch einzusetzen.

Aktuell baut die EU ihre militärischen Fähigkeiten im Einklang mit der NATO aus. Sie rüstet sich aber auch für den Fall, dass es zu größeren Auseinandersetzungen mit den USA kommen könnte.

Vor diesem Hintergrund verabschiedeten die EU-Staatschefs in dieser Legislaturperiode ein neues Grundlagendokument: den sogenannten Strategischen Kompass. Er gibt die Richtung für die EU Außen- und Sicherheitspolitik vor. Auf Basis einer erstmals vorgenommenen Bedrohungsanalyse wird ein ganzes Maßnahmenbündel zum Ausbau der militärischen Fähigkeiten vorgestellt.

Konkret legt das Dokument dar, wie EU-»Interessen« strategisch autonom umgesetzt werden können. Was diese Interessen sind, wurde bereits in der Global Strategie 2016 ausgeführt: Die EU müsse in der Lage sein, weltweit wichtige Handelsrouten und Seewege zu sichern – zur Not auch militärisch. Der Strategische Kompass bettet diese Zielsetzung und die bereits geschaffenen wie zusätzlich noch »benötigten« Instrumente in eine Gesamtstrategie ein. Die Message der EU ist deutlich: Die Union als eigenständige Macht ist gut gerüstet für kommende Auseinandersetzungen um Einflusssphären. Rüstungskontrolle und Diplomatie fallen nahezu völlig unter den Tisch.

So rühmte sich die Kommissionspräsidenten auch in ihrer Rede zur Lage der Union am 13.09.202311 eine geopolitische Kommission geschaffen zu haben und sagte, 27 Mitgliedstaaten hätten sich auf den Weg gemacht eine Militärunion aufzubauen und 30 Mitgliedstaaten würden diese vollenden.

Das große Kriegspotenzial, das hinter den Ankündigungen und den getroffenen Maßnahmen steht, der laufende Krieg in der Ukraine und der verhärtete Machtkampf um den afrikanischen Kontinent zwischen der EU und China und Russland, die Eskalationsspirale am Indopazifik sollten uns ein Warnsignal sein. Denn die Kriege und Machtkämpfe werden überall auf dem Rücken der Armen und der Arbeiter*innen ausgetragen. Damit sie dafür nicht mit Leib und Leben oder Hab und Gut bezahlen müssen, braucht es eine starke Friedensbewegung. Auch Linke müssen sich entscheiden, wo sie in diesem Kampf stehen: an der Seite des Militarismus für Kapitalinteressen oder an der der Arbeiter*innen und Armen.