Kapitulation vor dem rechten Zeitgeist

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DIE PARTEI „BÜNDNIS SAHRA WAGENKNECHT“ VERSCHIEBT DIE POLITISCHEN VERHÄLTNISSE

…aber in die falsche Richtung.

Wer – wie der Autor diesesTextes – die letzten beiden Jahrzehnte in Deutschland als aktives Mitglied in der Partei DIE LINKE und einer ihrer Vorgängerorganisationen, der „Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit“ (WASG), verbracht hat, davon die meisten Jahre in Leitungsfunktionen, kam der Gründungsparteitag der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) am Ende Januar dieses Jahres in Berlin wie ein vertrautes Familientreffen vor. Es versammelten sich dort knapp 450 Menschen, überwiegend so alt, dass sie mindestens die letzten zwanzig Jahre schon aktiv waren, meistens in der LINKEN, WASG und PDS, überwiegend männlich und überwiegend bio-deutsch. Viele hatten noch bis in die letzten Tage bezahlte oder hohe ehrenamtliche Funktionen in der LINKEN beziehungsweise in deren parlamentarischen oder regierenden Strukturen.

Diese Versammlung von Gründungsmitgliedern der neuen Partei wurde sorgfältig von einem nicht gerade demokratisch legitimierten Vorbereitungszirkel ausgewählt – längst nicht jede und jeder, die wollten, durften Mitglied werden, selbst langjährige Bundestagsabgeordnete der LINKEN, wie Diether Dehm, wurden abgewiesen.

Aber die, die reingelassen wurden, hatten überwiegend eine gemeinsame Vergangenheit als LINKE. Es gab wenige exotische Ausnahmen, die als besondere Newcomer präsentiert wurden, aber sie pflegten nicht viel mehr als diese Besonderheit.

In einem zermürbenden Entfremdungsprozess, überwiegend versteckt in Kämpfen um Posten oder um isolierte Einzelanträge auf verschiedenen Parteitagen und meistens in Form von Presseerklärungen, Interviews und gegenseitigen Denunziationen, hatte die Gruppe der LINKEN, die sich dem Projekt BSW annäherten, de facto beschlossen, nicht mehr links sein zu wollen. Es gab dazu keinen zusammenhängenden programmatischen Text, es gab auch keine grundsätzlichen Anträge oder Gegenanträge für LINKE-Konferenzen und -Gremien. Es gab nur eine Stimmung, dass das alles nicht mehr so richtig sei, was die Partei DIE LINKE anstellt. Ausbleibende Wahlerfolge und ätzende Verselbständigung der Kämpfe um Parteiposten gaben dieser schwelenden Frustration regelmäßig neue Nahrung.

Die großen politischen Zeitfragen – die wachsende Kriegsgefahr, die beschleunigte Zerstörung von Klima und Biosphäre, der Vormarsch rechter, autoritärer und rassistischer Parteien, die Zunahme von weltweiter Migration und Flucht aufgrund der kapitalistischen Lebensverhältnisse in aller Welt, die Verarmungsprozesse selbst in den Hochlohnländern – spielten natürlich eine gewisse Rolle in diesem Erosionsprozess einer ehemals erfolgreichen linken Massenpartei. Aber nur sehr vermittelt, im Zentrum standen die bürokratischen Selbsterhaltungskämpfe unter den berufsmäßig für die LINKE und ihre Fraktionen und Nebeneinrichtungen arbeitenden Menschen. Es gab den aus den Abstiegsprozessen früherer linker Parteien bekannten Machtkampf zwischen den Apparaten der Fraktionen und dem der Partei. Die Allianzen in diesen Auseinandersetzungen wechselten beliebig nach tagespolitischen Erwägungen. Mehrere Jahre prägte das sogenannte „Hufeisen“ von gemäßigt reformerischen Regierungslinken, die schon seit Gründungszeiten mit dem Erfurter Grundsatzprogramm der LINKEN unzufrieden waren und gerne mehr Akzeptanz von Kapitalismus und Militarismus darin gesehen hätten, mit aus der Tradition der Kommunistischen Plattform und erstarrten Alt-DDR-Linken und den sozialdemokratischen Anhängerinnen und Anhängern der „Stamokap“-Theorie die Geschicke der Fraktion und bestimmte die Wahlkämpfe. Im schnelleren Rhythmus als die Fraktionen veränderten sich die Parteivorstände – ein bewusst gewählter und gegen alle Demokratisierungsversuche verteidigter Mechanismus in der LINKEN – die gegen die Macht der Fraktionen aber stets die schwächeren Kräfte haben. Von all diesen Prozessen immer mehr ausgeschlossen, blieb die große Mehrheit der gut 60.000 Mitglieder der LINKEN. Heute sind davon noch gut 50.000 in der Partei und immer noch von den Auseinandersetzungen ausgeschlossen.

Dieser Erosionsprozess der LINKEN ist jetzt an einem Scheidepunkt angekommen. Ein sich selbst akklamierender Haufen von früheren Verantwortungsträgerinnen und -trägern hat sich in Berlin zur konstituierenden Sitzung einer neuen Partei getroffen. Politisch sehr unterschiedliche Personen finden sich da zusammen, die sich in den letzten Jahren kaum etwas zu sagen hatten und lediglich in taktischen Bündnissen zusammenkamen.

Die große Außenseiterin Sahra Wagenknecht

Sahra Wagenknecht ist die Einzige, die in diesem Prozess klare programmatische Aussagen gemacht und Entscheidungen getroffen hat. Sie hat in einem längeren eigenen Findungsprozess, der über die Jahre in ihren Texten nachzulesen ist, entschieden, dass eine Linke, die sich auf die Arbeiter:innenbewegung, auf den Marxismus, auf revolutionäre Enteignungs- und Wiederaneignungsprozesse beruft, nicht mehr zeitgemäß ist. Sie verkündet laut ihr „Gegenprogramm“ als, wie sie selber sagt, „linkskonservative“ Kraft, die für Marktwirtschaft, Leistungsgesellschaft, nationale Beschränktheit der Politik, Reglementierung von Zuwanderung, gegen „Quoten- und Gender-Wahn“, gegen „übertriebenen Klimaschutz“ und all dieses Gedöns eintritt. Sie plündert theoretisch schamlos bei den bürgerlichen Prediger:innen der „sozialen Marktwirtschaft, bei den Stichwortgeber:innen der rechten Sozialdemokratie und selbst bei den nationalen Ergüssen der neuen Rechten mit ihrem Kampf für ein „normales Deutschland“.

Nichts von diesem „Gegenprogramm“ hat Sahra Wagenknecht übrigens in ihrer Partei jemals zur Diskussion gestellt. Kein Parteitag, keine Vorstandssitzung, keine Mitgliederversammlung eines Kreisverbandes haben sich mit ihr darüber streiten dürfen. Auch fraktionelle Versammlungen des Teils der LINKEN, der eventuell mit den neuen Thesen von Wagenknecht etwas anfangen könnte, gab es nicht.

Der einzige Resonanzboden für Sahra Wagenknechts politische Thesen waren die nicht-linken, in Deutschland traditionell anti-sozialistischen und anti-kommunistischen großen Medien in der analogen und digitalen Welt. Sahra Wagenknecht brachte mit ihrer Art des Auftretens, ihrer besonderen Form eines politischen Autismus, auch mit ihren rhetorischen Talenten, viele Voraussetzungen mit, aus ihr den heute fast schon überstrapazierten Medienstar zu machen.

Dieser Medienstar bedient glänzend alle Rollen gleichzeitig: Kronzeugin gegen die alte, konventionelle Linke und Arbeiter:innenbewegung, linker Flankenschutz für die furchtbare Vertreibungs- und Abschottungspolitik gegenüber Migrant:innen; Eindämmung der sozialen Proteste gegen die Klimazerstörung und für weltweite soziale Gerechtigkeit sowie Priesterin einer neuen, an die 50er Jahre andockenden „Aktion Gemeinsinn“ statt Klassenkampf. Ihre „Kritik“ am „falschen“, am gierigen Kapitalismus wird gerne auch in Manager-Seminaren und Lobbyisten-Treffen konsumiert.

Der Medienstar Sahra Wagenknecht hat Hunderttausende Anhängerinnen und Anhängern – der allergrößte Teil davon ist so „linkskonservativ“ wie Wagenknecht selber, aber platter und vulgärer. Sie bietet mit ihrem Auftreten und ihren Theorien keinerlei Entwicklung nach links an, sondern nur Bestätigung im rechten politischen Raum. Sie deckt ein Feld ab, das durch die kapitalistische Realität individualisiert und atomisiert wurde, das von gesellschaftlichen Enttäuschungen geprägt ist und dem das prollige Angebot der „Alternative für Deutschland“ zu schmuddelig ist.

Wir wollen nicht mehr links sein

Bei den ehemaligen LINKE-Funktionsträger:innen, die sich in Berlin zur BSW-Gründung versammelten, gibt es kaum eine oder einen, die oder der die krude Mixtur der politischen Thesen von Sahra Wagenknecht überzeugend findet. Sie alle goutieren allerdings den medialen Glanz, der Wagenknecht begleitet.

Er ist nützlich in dem nicht linkskonservativen, sondern strukturkonservativen Bemühungen um die Fortsetzung oder Neubegründung einer Funktionärskarriere. Er bedient Träume, dass der politische Erfolg ohne großes Dazutun wiederkehrt. Gleichzeitig sind die „Theorien“ und Auftritte des Medienstars so ambivalent und spekulativ, dass sie einer breiten Palette von politischen Optionen die Hoffnung geben, es wird schon früher oder später wieder in die gewünschte Richtung gehen: Dem ewigen Sozialdemokraten aus der Stamokap-Schule, der früheren Funktionärin der Kommunistischen Plattform und dem Alt-DKPisten, den Altstalinist:innen mit SED-Vergangenheit, dem früheren Gewerkschaftsfunktionär voller sozialpartnerschaftlicher Flausen.

In Berlin wurde deshalb nicht nachgedacht, nicht gegründet, sondern nur geklatscht und bestätigt, was in den Vorbesprechungen festgelegt wurde. Der Rest war mediale Inszenierung. Die letzte Festlegung in diesen Vorbesprechungen war die Vereinbarung, sich nicht mehr mit „Genossin“ und „Genosse“ anzusprechen, sondern als „Freund“ und „Freundin“. Das Erschreckende war nicht dieser neue Sprachgebrauch, sondern dass dieser Kostümwechsel reibungslos klappte. Es gab keine Versprecher, selbst bei denen, die noch am Vortag als „Genosse“ und „Genossin“ werkelten.

Die anderen Ergebnisse des Gründungsparteitags waren gleichfalls alle vorbestimmt. Es gab keine alternativen Kandidierende für die Vorstandsposten und die Liste der Europawahl. Es gab keine Fragen die Kandidierenden. Bis auf den sichtbar als reaktionär-sozialdemokratischen Sonderling erkannten Ex-Oberbürgermeister aus Düsseldorf, Thomas Geisel (der nur 66 Prozent bekam), wurden alle Wahlen mit 90+x Prozent „gewonnen“. Das Programm für die Europawahl wurde ohne Debatte und Gegenstimmen durchgewunken.

Es beschließt also eine Versammlung von noch gestern als links agierender Menschen, ab heute wollen wir nicht mehr links, sondern nur noch vernünftig sein. Es ist diese Art von Abschwörung, die einerseits in der bürgerlichen Medienwelt geliebt wird, weil diese den Verrat, aber nicht die Verräter:innen mag, und die andererseits das Betreten einer Rutschbahn bedeutet, das garantiert nicht wieder zurück auf linke, eventuell besser abgesicherte, Positionen, sondern zu immer mehr rechten Antworten und Affirmation des bestehenden Systems führt.

Als Ende der 70er Jahre die Vorläufer der Partei DIE GRÜNEN gegründet wurden, galt auch der Schlachtruf „Wir sind nicht rechts, nicht links, sondern vorn“. Das wurde auch von einer respektablen Menge ehemaliger Funktionär:innen von linken Organisationen verkündet, wenn auch mit weniger Überzeugungskraft als zum Beispiel Petra Kelly sie hatte. Aber dieser Bruch mit Vergangenen stieß auf eine breite Massenstimmung, geprägt von Antiatom-, Umwelt-, Friedens- und Frauenbewegung, die dafür sorgte, dass das Neue sich nur nach links weiter entwickeln konnte. Rechte Kräfte spalteten sich alsbald ab und bis 1986 ging es mit den GRÜNEN in der Summe immer weiter nach links, erst danach begann dieser Prozess sich umzukehren bis zu dem Militaristenstadel, der die GRÜNEN heute sind.

Auch die Gründung der LINKEN begann mit einem Bruch vieler Sozialdemokrat:innen und PDS-Konservativen mit ihrer Tradition und nicht wenige fürchteten, das Zusammengehen von WASG und PDS würde zu einer Abschwörung vertrauter Positionen und Rechtsentwicklung führen. Das Gegenteil ist eingetreten. Die LINKE wurde auf dem Hintergrund realer gesellschaftlicher Kämpfe gegen Hartz IV wie auch gegen die Zerstörung der Umwelt zu einer erfolgreichen Kraft, der als einzige Entwicklungsrichtung die nach links offenstand. Auch dieser Prozess – wir von der Antikapitalistischen Linken haben das umfassend beschrieben und kritisiert – wurde erst durch das Anwachsen der strukturkonservativen Kräfte in der Partei und das Zurückgehen sozialer Bewegungen umgekehrt und frühere rechte Kräfte in der Partei wurden wiederbelebt.

Jetzt wird also mit dem Schlachtruf, wir wollen nicht mehr links sein, sondern nur noch vorn und vernünftig ein neuer Versuch gestartet. Das geschieht aber auf dem Hintergrund und als Anpassung an eine krass anwachsende rechte Massenstimmung. Diese Anpassung kann nicht wieder zurück zu linken Positionen führen. Die Partei BSW ist – wie es heute einige erklären – deshalb kein Übergangsstadium zu einer neuen linken Massenpartei, sondern der Start zu immer weiterer theoretischer Verflachung und politischer Anpassung nach rechts. Die Rutschbahn nach rechts ist vorgeprägt und viele der BSW-Leute werden von den realen Hunderttausenden rechter Anhänger:innen in kürzester Zeit mehr angezogen als von ihren früher möglicherweise mal vorhandenen linken Positionen.

Die gesamte Konstruktion des BSW als mediales Kunstprojekt und die Fixierung der strategischen Debatten auf Wahlen und Wahlumfragen wird bei dieser Entwicklung verstärkend sein.

Der Frieden als das verbindende Thema

Es wird behauptet – und völlig falsch ist das nicht – das zentrale und verbindende Thema des BSW sei die gemeinsame Position gegen den Krieg. Die Frage ist aber wie weit trägt diese Gemeinsamkeit. Im Gegensatz zur LINKEN und ihrem bis heute gültigen Programm, das entgegen der Behauptungen des BSW auf allen Parteitagen bestätigt wurde, erklärt das BSW beziehungsweise ihre namensgebende Chefin, den Krieg nicht als Ergebnis der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, sondern nur als „Versagen der Politik“. Das bleibt dann allerdings nur bei einer moralischen Kritik und ist ziemlich praxisuntauglich. Der Anti-Kriegsaufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer, der von annähernd einer Million Menschen unterzeichnet wurde, ist komplett verpufft. Nicht eine bleibende Anti-Kriegs-Initiative wurde damit geschaffen oder gefestigt. Ein Blick auf das beschlossene Europawahl-Programm des BSW, in dem von mehr eigenem Auftreten der EU gesprochen wird, lässt befürchten, dass hier die alte Forderung von Oskar Lafontaine nach eigenen EU-, oder wenigstens deutsch-französischen Militärverbänden durch die Hintertür kommt.

Die „Antikapitalistische Linke“ in der LINKEN hat das BSW in einer längeren Stellungnahme zurecht als rechts-sozialdemokratisches Geisterschiff bezeichnet. In dieser Erklärung heißt es:

Die Antwort, die Sahra Wagenknecht und die um sie versammelte Gruppe von LINKE-Mitgliedern auf die Krise der LINKEN geben möchte, ist in jeder Hinsicht falsch und man kann nur hoffen, dass das darin angelegte Projekt ein schnelles Ende findet.

Der Verein BSW ist ein Rettungsversuch vor den Auswirkungen des Parlamentarismus durch Beschränkung auf den Parlamentarismus. Es versammelt sich dort eine Gruppe von Parlamentarier:innen, denen die Verbindung zur Partei weitgehend verloren gegangen ist und dies lautstark mit Schimpfen auf den Parteivorstand kompensieren. Insider wissen, dass die Personen in dieser Gruppe sich in der Vergangenheit in den meisten politischen Fragen nicht viel zu sagen hatten. Es bleibt also als erste Vermutung, hier organisieren parlamentarisch gut versorgte Spitzenleute der LINKEN ihre eigene Zukunft als solche.

Die Gründung des Vereins BSW erfolgt als konspiratives Top-down-Projekt, an dem nur beteiligt wird, der oder die von oben genehmigt wird. Was für eine wahnwitzige Demontage auch noch des letzten basisdemokratischen Anspruchs. Es ist nach allgemeiner Erfahrung aus 170 Jahren Arbeiter:innenbewegung schon so gut wie unmöglich, eine linke Partei nur durch Wahlkämpfe aufbauen zu wollen, dies aber als PR-Projekt und von einer Vereinszentrale gesteuert zu probieren, zeigt nur eins: Das Ergebnis wird alles, aber nicht links sein.

DIE LINKE hat als Vorspann zu ihrem Erfurter Programm (aufgrund eines persönlichen Wunsches von Oskar Lafontaine) das Gedicht von Bert Brecht, „Fragen eines lesenden Arbeiters“ gewählt. Es zeigt treffend, dass nur die vielen Millionen in aktiver Gegenwehr und Aufbauleistung die Macht der Millionäre werden brechen können. Das Geschichtsbild des großen weisen Führers ist eine einzige Lügengeschichte. Angesichts dessen macht es nur fassungslos, wie erwachsene und gebildete Linke sich für ein Aufbaukonzept ihres neuen Vereins entscheiden können, das an Personenkult nicht mehr zu toppen ist.

Die kultische Fixierung auf Sahra Wagenknecht – die viel mehr ist als nur eine Namensgebung, um einmal erregtes öffentliches Aufsehen abernten zu können – wird zugleich der todbringende Ansatzpunkt sein, mit dem die, den BSW-Club jetzt so euphorisch hochjazzenden und mit Umfragen liebkosenden, Medien das neue Vereinsprojekt gnadenlos manipulieren und letztlich wieder runterschreiben werden.

Auch dieses Projekt wird, wahrscheinlich schlimmer noch als das vorhergehende „aufstehen“, in einem politischen Desaster und einer persönlichen Tragödie enden.

Die inhaltlichen Grundlagen des Vereins „Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit“ scheinen bei der Gründung keine große Rolle zu spielen. So ein Ensemble von inhaltslosen Textbausteinen muss man erstmal hinkriegen. Wer die Website des BSW anklickt und die Vereinsgrundlagen trotzdem liest, wird neben dem von Deutschlandfahnen dekorierten Berliner Reichstagsgebäude (immerhin ist dem BSW nicht der peinliche Fehler der CDU passiert und es wurde ein richtiges Foto vom Reichstagsgebäude genommen), kurze Texte zu den angeblich „wichtigen Themen“ finden.

In diesen Texten ist jeder linke programmatische Zusammenhang getilgt worden. Es sind Positionen, die von jeder beliebigen bürgerlichen Partei blind unterschrieben werden können. Es geht um Deutschland als Wirtschaftsstandort, um Leistungsgesellschaft, leistungsgerechte Löhne, innovative Marktwirtschaft, deutsche Unternehmen, die die Technologien erfinden, um den Klimawandel zurückzuführen, es geht um Ehrlichkeit und Gemeinsinn – und so weiter und so fort, als ob die fünfziger Jahre wieder anstehen – zurück in die Zukunft mit dem fliegenden Wagenknechtautomobil. Und fehlen darf natürlich als eine der wenigen konkreten Forderungen auch nicht: Die Zuwanderung nach Deutschland muss reguliert und begrenzt werden. Das steht so einsam konkret im wortschwalligen Raum, dass der Verdacht entsteht, das könnte der Hauptsinn der ganzen Operation sein.“ (kompletter Text: https://antikapitalistische-linke.de/?p=4770#more-4770)

An dieser Kritik ist alles noch gültig. Das BSW wird möglicherweise auf Wahlebene ein paar Anfangserfolge erzielen – aber dies ist kein Erfolg einer linken Partei und wird auch die Entstehung einer solchen linken Partei nicht fördern. Gleichzeitig ist zu befürchten, dass die gesamte Struktur des BSW-Projektes als synthetisches PR-Projekt, die komplett fehlende Basisdemokratie, die völlig unzulänglichen programmatischen und strategischen Grundlagen und Prinzipien all die Bemühungen fördern werden, dieses Projekt von außen zu manipulieren, den Druck von rechts zu erhöhen und ein auf diese Weise erwirktes Scheitern dennoch und einmal mehr als Scheitern der Linken zu erklären. In diesem Sinne ist das Schicksal der deutschen und auch europäischen Linken leider auch immer noch mit dem des BSW verbunden und dessen Niederlagen werden über das BSW hinaus wirken.

Thies Gleiss

Köln, 04. Februar 2024