(* 26. März 1956 in Altentreptow; † 11. August 2023)
Die Antikapitalistische Linke in der LINKEN trauert um ihr Gründungsmitglied Barbara Borchardt, die am 11. August 2023 einer Krebserkrankung erlag.
Barbara schreckte schon sehr früh nicht vor großen Aufgaben zurück. Aufgewachsen mit vier Geschwistern, wollte sie Jura studieren ähnlich wie ihr Ziehvater, der Kreisgerichtsdirektor im brandenburgischen Templin war. Doch wie bei so vielen jungen Frauen unterbrach eine Schwangerschaft ihre beruflichen Pläne nach dem Abitur, als sie gerade 18 Jahre alt war. Sie heiratete und statt zu studieren arbeitete sie beim Rat des Kreises Templin. Weil die junge Familie dringend eine Wohnung brauchte, übernahm Barbara Borchardt mit 20 Jahren das Amt als Bürgermeisterin der Gemeinde Retzow-Rutenberg. Kurze Zeit später wurde ihr zweiter Sohn geboren. Neben all ihren Aufgaben absolvierte sie ein Fernstudium in Potsdam-Babelsberg und schloss das Studium als Diplom-Staatswissenschaftlerin ab. Sie trennte sich und zog mit ihren zwei Söhnen nach Groß-Daberkow und wurde hier erneut Bürgermeisterin. Ihre beruflichen Pläne verfolgte sie weiterhin zielstrebig und machte 1984 einem Abschluss an der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR in Potsdam und absolvierte zwei Jahre später ein Fernstudium, das sie 1990 als Diplom-Juristin abschloss.
Die Wiedervereinigung stoppte zunächst ihre berufliche Karriere. Barbara Borchardt war von 1990 -1991 erwerbslos aber nie untätig. 1991 wurde sie Mitarbeiterin im Arbeitslosenverband Deutschland e.V. und Mitte der 1990er leitete sie das Regionalbüro in Neubrandenburg und war später stellvertretende Geschäftsführerin des Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern.
Von 1998 bis 2002 und erneut von 2004 bis 2016 war sie Mitglied des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern. Barbara Borchert hat die LINKE Regierungsbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern kritisch begleitet. Zu der Bestandaufnahme „Warum? Für wen? Wohin – 7 Jahre PDS Mecklenburg-Vorpommern in der Regierung“ steuerte sie den Beitrag bei „Arbeitslosigkeit zu verhindern war das Ziel“. Ihre Erfahrungen mit Linken in einer Regierung waren sicher auch Grund, dass Barbara mit zu den Erstunterzeichner*innen des Aufrufes für eine Antikapitalistische Linke gehörte. Dort wurden seinerzeit Haltelinien für das Mitregieren erstmals gefordert. Barbara hat den Landesverband der AKL in MVP lange Jahre begleitet und immer wieder zu Treffen eingeladen. Wir haben viele gemeinsame Aktionen und Veranstaltungen organisiert.
Zu ihren politischen Stationen gehörten vom November 2006 bis Oktober 2011 auch die Tätigkeiten als Vorsitzende des Petitionsausschusses und als Sprecherin der Fraktion DIE LINKE in MVP für Europa- und Rechtspolitik.
Nachdem sie am 8. März 2017 zunächst stellvertretendes Mitglied des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern war, sorgte ihre Berufung zur Verfassungsrichterin am 15. Mai 2020 für bundesweite Aufregung im bürgerlichen Lager. BILD und Co. behaupteten Barbara Borchardt sei „linksextrem“ u.a. wegen ihrer Mitgliedschaft in der AKL, die den Systemwechsel und den Antimilitarismus mit zu ihren politischen Zielen zählt, und deshalb ungeeignet für dieses Amt. Barbara Borchardt erklärte seinerzeit der Zeitung „Junge Welt“, die Ziele der AKL stünden nicht im Gegensatz zum Grundgesetz, das eine explizit kapitalistische Grundordnung nicht vorsehe. Sie blieb im Gegensatz zu vielen anderen sich selbst, ihren politischen Zielen und der AKL treu.
Sie wurde aus der BAG Betrieb und Gewerkschaft in den Bundesausschuss der Linken gewählt und war hier von 2016 – 2021 Mitglied des Präsidiums. Auch im Bundesausschusses kämpfte Barbara bis zuletzt für eine Ausrichtung der Partei als linke Systemopposition und forderte gerade nach Wahlniederlagen immer wieder Rechenschaft vom Parteivorstand und eine klare sozialistische
Ausrichtung ein. Im Mai 2022 wurde sie aus dem Bundesausschuss in die Strukturkommission der Partei berufen. In dieser Strukturkommission des Parteivorstandes musste sie mit dem weiteren AKL-Vertreter Thies Gleiss einmal mehr erfahren, wie hartnäckig der Widerstand der strukturkonservativen Kräfte in der Partei gegen für eine linke Partei unerlässliche Veränderungen an Verfassung und Funktionieren der Partei ist. Noch für die kommende Woche hatten wir uns mit Barbara verabredet, eine gemeinsame Stellungnahme gegen die Blockierer in der Kommission von Seiten der Regierungslinken und der Bewegungslinken auszuarbeiten.
In all den Jahren der LINKEN haben wir mit Barbara Borchardt in verschiedenen Gremien zusammengearbeitet und haben sie schätzen gelernt. Gerne hätten wir noch so viel von ihr erfahren, unter anderem auch über die Unterschiede in der Sozialisation und Situation von Frauen mit Kindern in Ost und West.
Zu spät – mit jedem Abschied geht auch ein Schatz an Lebenserfahrungen verloren. Wie traurig, dass wir an ihren Erfahrungen nicht mehr teilhaben können.
Unsere Anteilnahme gilt der Familie, den Freunden und Weggefährten.
R.I.P. Barbara Borchardt.
Bundessprecher:innenrat der AKL